1. PIM im Kontext inter*nationaler Digitalisierungsinitiativen

Die Möglichkeiten, die persönliche Bildungsreise flexibel und international auszugestalten, erscheinen vor dem Hintergrund zunehmender Internationalisierungsbestrebungen von Hochschulen und deren Beteiligung in internationalen Netzwerken vielfältig und grenzenlos: Vom Besuch einzelner Online-Kurse an Partnerinstitutionen über das klassische Erasmus-Semester bis hin zu einem hochschulübergreifenden Studium in einem Europäischen Hochschulnetzwerk (EUN). Dementsprechend komplex gestalten sich jedoch auch die damit einhergehenden Prozesse, die sich nicht selten auf den Bereich der individuellen Studienorganisation auswirken. Für die erfolgreiche (nationale und internationale) Bildungsreise von Studierenden muss beispielsweise der Zugang zu Bildungsangeboten (inkl. Campus- sowie Lernmanagementsystem) sichergestellt, Informationen zu den Angeboten institutionsübergreifend abgebildet und verknüpft sowie Studierendendaten zwischen Hochschulen ausgetauscht werden.

Damit verbundenen administrativen Vorgänge sind oft vorrangig darauf ausgelegt, rechtliche Vorgaben zu erfüllen und als Regulierungsmechanismen bzw. Kontrollinstanzen zu fungieren; Mehrwert für Studierende und Dozent*innen steht z.T. nur an zweiter Stelle. Beispielsweise ist im Erasmus-Kontext die Vereinbarung der während des Aufenthalts zu besuchenden Module, das sogenannte “Learning Agreement”, ein wichtiges Instrument für einen erfolgreiche Gestaltung des Auslandsaufenthaltes und die anschließende Anerkennung. Nicht immer kann das praktikabel umgesetzt werden, z.B. weil die Studierenden gar nicht an die notwendigen Informationen kommen. Dann wird der Prozess lediglich pro forma durchgeführt, um den administrativen Vorgaben zu genügen.

“Kann ich Leistung X an meiner Hochschule anerkennen (lassen)” ist eine der wesentlichen Fragen bei Mobilitäten, sowohl aus Studierendensicht, aber auch aus Perspektive der Entscheider*innen. Die Herausforderung einer guten, nutzer*innenzentrierten Digitalisierung von Anerkennungs- und Anrechnungsprozessen besteht in der Vielfalt der zu unterstützenden Ausprägungen (siehe Abbildung 1), die Vielfalt der zu berücksichtigenden Schnittstellen/Austauschformate und zusätzlich durch die Heterogenität der aktuellen Prozessgestaltung. Für diesen wichtigen Teil des (ansonsten weitgehend digitalisierten) Student-Life-Cycle fehlt deshalb im deutschsprachigen Raum bisher noch eine hochschulübergreifende Lösung [Glich, Strathmann 2023]. Die Plattform für inter*nationale Studierendenmobilität (PIM) möchte diese Lücke schließen.

Abbildung 1: Übersicht der von PIM unterstützten Prozesse. Die mit * gekennzeichneten Prozesse sind umgesetzt (Stand August 2023)

Dabei werden europäische Aktivitäten und Standards wie der Digital Education Action Plan , die Erasmus-Charta für die Hochschulbildung (ECHE) , Erasmus without Paper (EWP) und dem Austauschstandard für Leistungsdaten EMREX berücksichtigt. Für die Weiterentwicklung des fachlich-inhaltlichen Rahmen (z.B. Qualitätskriterien) greift PIM auf die Ergebnisse des parallelen Projekts MODUS der Hochschulrektorenkonferenz zusammen, umgekehrt teilt PIM Erkenntnisse mit der Digitalisierung der Prozesse intensiv mit MODUS.

Es gibt in der Praxis einige gute Beispiele, in denen bereits mittels hochschulspezifischen digitalen Eigenentwicklungen wesentliche Verbesserungen im Vergleich zum papierbasierten Verfahren erreicht und mehrjährig produktiv betrieben werden [Gilch 2022]. Prozessdigitalisierung ist also grundsätzlich möglich. Die Grenze dieser Eigenentwicklungen besteht in der Regel bei der Integration in die vorhandene IT-Landschaft der Hochschule.

Eine solche Integration ist aber Voraussetzung für die End-to-end-Digitalisierung des Prozesses. Um diese zu erreichen, ist deshalb eine enge Verzahnung mit den auf nationaler Ebene bereits etablierten und den in Etablierung befindlichen IT-Systemen zentrales Element der Strategie von PIM. Dies beinhaltet zum einen eine enge Kopplung mit gängigen Campus-Management-Systemen auf Prozess- und Datenebene als auch die Anbindung an die digitale Vernetzungsinfrastruktur für die Bildung.

Aufbauend auf nationale und internationale Standards bietet PIM folgende Kernfunktionalitäten:

  • Digitaler Leistungsdatenaustausch, verknüpft mit den Campus-Management-Systemen (CaMS),

  • Harmonisierung der Workflows für Anerkennungs- und Anrechnungsprozesse, entsprechend den hochschulspezifischen Bedürfnissen und studentischen Anforderungen,

  • Transparente Informationsaufbereitung und -bereitstellung, u.a. in Form einer offen zugänglichen Datenbank für die Bereiche Anerkennungen und Anrechnungen.

Diese Funktionalitäten werden im folgenden Abschnitt 2 ausführlicher vorgestellt und anschließend in Abschnitt 3 in die Roadmap eingeordnet. Abschließend wird auf erste praktische Erfahrungen aus der Umsetzung eingegangen, mit Blick auf Übertragbarkeit in vergleichbare Digitalisierungsaktivitäten.

2. Die PIM-Features und Use Cases

PIM bietet digitale Services zur Unterstützung der Anerkennungs- und Anrechnungsprozesse in Zusammenhang mit nationaler und internationaler Studierendenmobilität. Ziel sind eine nutzerorientierte Vereinfachung für Studierende und gleichzeitig effiziente Bearbeitungsmöglichkeiten durch Hochschulmitarbeiter*innen. Einen Einblick bietet die live Demo der aktuellen Funktionalitäten von PIM: www.uni-goettingen.de/PIM+features .

Die digitalisierten Anerkennungsworkflows umfassen die Anerkennung hochschulisch erworbener Kompetenzen vor und nach einem Aufenthalt an einer externen Hochschule im In- oder Ausland und nach einem Hochschulwechsel sowie bei einem Fachwechsel innerhalb einer Hochschule (siehe Abbildung 1). Der Anrechnungsworkflow bildet Grundlage für die Anrechnung von Kompetenzen, die außerhalb von Hochschulen erworben wurden (siehe Abbildung 1). Die Workflows beinhalten sowohl die Antragstellung durch Studierende als auch die Antragsbearbeitung durch Hochschulmitarbeiter*innen. Studierende haben mit PIM einen zentralen Zugang zu Anerkennungs- und Anrechnungsverfahren und können eigenständig und effizient Anträge anstoßen und Daten und Dokumente übermitteln sowie den Bearbeitungsstatus gestellter Anträge jederzeit einsehen. Die Möglichkeit der digitalen und sicheren Datenübertragung bildet einen wesentlichen Mehrwert für Studierende. Hochschulmitarbeiter*innen profitieren von dem digitalisierten Antragsverfahren, können die Vollständigkeit der Antragsunterlagen schnell überblicken sowie die Bearbeitung und Zusammenarbeit innerhalb der Hochschule effizient regeln. Die standardisierten, aber konfigurierbaren Workflows bieten den Hochschulen gleichzeitig Flexibilität und Harmonisierung hinsichtlich der Anrechnungs- und Anerkennungsprozesse. Dabei gewinnen die Hochschulen wesentlich vom Zusammenspiel mit dem eigenen CaMS. Schnittstellen ermöglichen sowohl die Einbindung von Moduldaten und Studienprogramminformationen als auch den Export von Anerkennungs- und Anrechnungsentscheidungen.

Neben einem Workflow, der intuitiv und nutzerorientiert in der Anwendung ist, zeichnet sich PIM durch die transparente Abbildung der Anrechnungs- und Anerkennungsentscheidungen in einer offen zugänglichen Anerkennungs- und Anrechnungsdatenbank aus, in der alle getroffenen Entscheidungen (Zustimmungen und Ablehnungen) ohne die personenbezogenen Daten wie Note etc. als Historie abgelegt werden.

Zukünftig wird eine Eingabemaske das Eintragen zusätzlicher Anerkennungs- und Anrechnungsinformationen erlauben, welche beispielsweise aus Hochschul- und Kooperationsvereinbarungen (u.a. im Rahmen von Double oder Joint Degrees und EUNs) hervorgehen. Durch die Integration dieser Informationen in den Workflow werden die Antragstellung auf studentischer Seite und Entscheidungsprozesse seitens der Hochschulverwaltung konsequent unterstützt und beschleunigt. Die Anrechnungs- und Anerkennungsdatenbank ist ein starkes Instrument, welches den Hochschulen ermöglicht die Prinzipien der Lissabon-Konvention („ Übereinkommen über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region “) umzusetzen und Anrechnung und Anerkennung transparent abzubilden und gerecht zu regeln. Durch individuelle und hochschulübergreifende Auswertungen kann zudem die bedarfsgerechte Weiterentwicklung von Studien- und Mobilitätsangeboten vorangetrieben werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit zur Erhebung von umfassenden Hochschulstatistiken. Studierenden eröffnet die Informationen eine wertvolle Bereicherung zur Planung von internationalen Studienaufenthalten, Hochschulwechsel oder den Übergang von einer Berufsausbildung in ein Hochschulstudium. Die transparente Abbildung von Anerkennungsentscheidungen und Vereinbarungen trägt maßgeblich zur Planungssicherheit der Bildungsreise von Studierenden bei und reduziert damit wesentlich die eingangs genannten Hürden im Zusammenhang mit Studierendenmobilität.

3. PIM − vom Projekt zum Produktivbetrieb

Mit dem Ziel, die Studienmobilität durch gute digitale Services für Anerkennung und Anrechnung zu vereinfachen, wurde im Rahmen der initialen Projektphasen (PIM MVP und PIM 1.0, gefördert vom BMBF) zwischen Mai 2020 und März 2022 eine erste lauffähige Version (MVP) konzipiert, entwickelt und in User-Tests erprobt. Dieses beinhaltete sowohl Basisinfrastrukturen für den Import und Export von Studierendenleistungen sowie Moduldaten, als auch Basisfunktionalitäten für die Workflows und die Anerkennungsdatenbank und erlaubte eine erste Pilotierung der Anwendungen (siehe Abbildung 2). In der Konzeptionsphase wurde außerdem bereits eine prototypische Anbindung an die digitale Vernetzungsinfrastruktur für die Bildung umgesetzt. Dies beinhaltet u.a. die Implementierung des Single-Sign-On Dienst (SSO) und die exemplarische Anbindung einer Datenwallet.

In der aktuellen Phase des zweiten PIM Projektes (PIM-2-0, gefördert vom BMBF) werden die Funktionalitäten entsprechend den realen Bedürfnissen der Hochschulen und des Bildungsökosystems

Abbildung 2: PIM Roadmap

Die Entwicklung von PIM wird gemeinsam von der Georg-August-Universität Göttingen (UGOE) und der Technischen Universität Berlin (TUB) geleitet. Über die Projektlaufzeiten haben sich zahlreiche Hochschulen in die Weiterentwicklung eingebracht und wichtige Impulse für die Verbesserung der digitalen Services gegeben. Aktuell besteht das PIM Konsortium aus acht Partnerhochschulen (darunter Universitäten und Fachhochschulen; TU Berlin, RWTH Aachen, TU München, TH Lübeck und FH Dortmund, Hochschule Osnabrück und der Hochschule Aalen) und vier assoziierten Hochschulen.

In den acht Hochschulen des Projektes werden fünf verschiedene CaMS genutzt (HISinOne, Flexnow, CampusNet, SAP, CampusOnline), was quasi einer Abdeckung des deutschsprachigen Marktes entspricht. Dadurch entstand eine gemeinsame Schnittstellenentwicklung mit diesen CaMS-Herstellern, welche eine zentrale Grundlage für Interoperabilität und Nachhaltigkeit von PIM ist.

Die weiteren Partner des PIM Konsortiums sind die Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung mbH Göttingen (GWDG) und die Paravo GmbH. Diese fungieren auch als wichtige Service-Dienstleister für den experimentellen Betrieb von PIM.

Bis zum Ende des Förderzeitraumes (August 2024) verfolgen diese Partner vier wesentliche Ziele:

  1. Erweiterung der Funktionalitäten und Implementierung weiterer Anrechnungs- und Anerkennungs-Use Cases:

Erweiterung der Kernfunktionalitäten um wesentliche Features, die sowohl die Antragstellung von Studierenden als auch die Bearbeitung der Anträge durch Mitarbeiter*innen vereinfacht werden, werden kontinuierlich verfolgt. Dazu gehören beispielsweise die Nutzung von Informationen aus der Anrechnungs- und Anerkennungsdatenbank im Workflow als auch die vereinfachte Dateneingabe und Verarbeitung oder die Notenumrechnung. Zusätzlich wird das Portfolio der aktuellen Funktionalitäten u.a. um die Abbildung von Anrechnungsverfahren ergänzt und damit die digitalen Services erweitert.

  1. Herstellung der Integrationsfähigkeit in die digitale Vernetzungsinfrastruktur für die Bildung und mit Campus-Management-Systemen:

Darüber hinaus wird die Integration von PIM im Kontext des Aufbaus der digitale Vernetzungsinfrastruktur für die Bildung vorangetrieben, um die Einbindung in die dort abgebildete Bildungsjourney und eine deutschlandweite Verfügbarkeit sicherzustellen. Anbindung an das prototypische Entwicklungsprojekt der digitalen Vernetzungsinfrastruktur für die Bildung – Bildungsraum Digital (BIRD) – konnte PIM bereits zeigen. Im Fokus der Anbindung stehen die vereinfachte Accounterstellung und Login-Funktionen als Single-Sign-On Dienst, die Anbindung einer Datenwallet zur selbstbestimmten und souveränen Verwaltung von Daten und Dokumenten und die Implementierung eines Metadaten-Konnektors zur Weiterverarbeitung von nicht personenspezifischen Daten im Digitalen Datenraum Bildung.

Neben der Anbindung an die digitale Vernetzungsinfrastruktur selbst ist die Zusammenarbeit mit den CaMS und den Herstellern von Software zur Mobilitätsadministration (z.B. MoveOn, Mobility Online) zur Implementierung von Schnittstellen von zentraler Bedeutung für einen schnellen On-Boarding Prozess der Hochschulen und damit den zukünftigen PIM Betrieb. Grundlegend ist dabei die Bereitstellung von standardisierten Modulinformationen sowie strukturierten Studiengangsinformationen, welche über etablierte Schnittstellen von den CaMS der Hochschulen automatisiert an PIM übertragen werden können. Umgekehrt werden Anrechnungs- und Anerkennungsentscheidungen über gemeinsam mit den CaMS-Herstellern zu entwickelnden Schnittstellen digital in die Systeme der Hochschulen zurückübertragen werden.

  1. Rollout an Hochschulen:

Die Erprobung und Evaluation der vorhandenen PIM Komponenten in einer realen Umgebung bildet das Herzstück des aktuellen PIM Projektes. Feedback aus dem produktiven Einsatz von PIM mit Studierenden und Hochschuladministration soll wesentliche und wertvolle Impulse in die Weiterentwicklung und Stabilisierung der digitalen Services einbringen. Die Heterogenität der PIM-Partnerhochschulen bietet dafür gute Voraussetzungen. Erfahrungen aus dem Produktivbetrieb bilden den Schlüssel für eine zukünftige Marktetablierung.

  1. Die Etablierung eines nachhaltigen Betriebskonzeptes:

Mit dem Aufbau einer PIM-Serviceorganisation sollen die Weichen für die langfristige Unterstützung von PIM und den zentralen Betrieb als Software-as-a-Service (SaaS) sichergestellt werden. Die Betreiberfirma bietet den nutzenden Hochschulen Second-Level-Support und sichert die nachhaltige Weiterentwicklung von PIM einschließlich der Schnittstellen zu den CaMS. Über einen zu gründenden Beirat wird der Einfluss der Hochschulen auf die Roadmap gewährleistet.

4. PIM – Digitale Transformation erfolgreich umsetzen und Durchlässigkeit zwischen Bildungsangeboten nachhaltig sichern

Die Digitalisierung als Chance begreifen und die damit einhergehenden wertvollen Potenziale nutzen, bedeutet Veränderung und benötigt Durchhaltevermögen. Auf Seiten der Hochschulen u.a. weil

  • Daten z.B. zu eigenen Modulen strukturiert vorliegen müssen,

  • Mitarbeitende in Studiendekanaten, Internationalisierungsbüros und Prüfungsämtern sich auf neue Prozesse einlassen (können) müssen und - hiermit verbunden -

  • Befürchtungen bestehen, dass die Integration bisher individueller Abläufe in ein zentrales System zu technischen und prozessualen Komplikationen führen kann.

Für PIM ergibt sich deshalb die Herausforderung, eine gute Balance zu halten zwischen Konfigurierbarkeit und Berücksichtigung der individuellen Hochschulbedürfnisse einerseits und Harmonisierung als Voraussetzung für übergreifenden Mehrwert und nachhaltige Wartbarkeit andererseits.

Um dies umsetzen zu können, sind wegweisende Zukunftsvisionen sowie politische Rahmenbedingungen und rechtliche „Leitplanken“ ebenso wichtig wie strategische Förderprogramme, damit Bildungsinstitutionen und Akteur*innen die notwendige Initiative aufbringen und eine Zusammenarbeit für eine nachhaltige und digitale Transformation gelingen kann.

Ohne die Förderung im Rahmen der digitalen Vernetzungsinfrastruktur für die Bildung wäre eine Umsetzung von Projekten wie PIM nur schwer realisierbar. Interinstitutionelle Bildungsprojekte profitieren enorm von der Festlegung europäischer Standards für den Datenaustausch und sicherer Identitäten auf breiterer Ebene profitieren [Strack 2022]. Konkrete politisch richtungsweisende “Bekenntnisse”, u.a. seitens der EU-Institutionen, zur Einführung von Standards sowie realistischen und vor allem verlässlichen Zeitlinien für die Implementierung von wegweisenden digitalen Infrastrukturen sind wesentliche Voraussetzungen für den Erfolg der internationalen und institutionsübergreifenden Zusammenarbeit.

Damit Leistungsanerkennungen hochschulübergreifend bearbeitet werden können, bedarf es nicht nur einer technischen Standardisierung und Interoperabilität, sondern auch einer semantischen [Strack 2021]. Im Laufe der PIM-Projektarbeit hat sich aber gezeigt, dass man für derartige Softwaredienste nicht auf das eine Standardaustauschformat setzen kann, da diese (noch?) nicht zu ausreichender Stabilität konvergiert sind. Beispielsweise wurde zu Beginn von PIM für den Austausch der Daten aus Modulkatalogen das europäische Format EDCI verwendet und hierfür gemeinsam mit den CaMS-Herstellern Schnittstellen entwickelt. 2021 wurde EDCI zu ELM weiterentwickelt und der damit verbundene kontinuierliche Pflegeaufwand der CaMS-Schnittstellen war viel größer, als PIM-seitig stattdessen die jeweils CaMS-eigenen Modulaustauschschnittstellen zu nutzen.

Der damit verbundene Verzicht auf ein herstellerübergreifendes Format erwies sich in diesem Fall nur scheinbar als ein Nachteil, da letztendlich die Schnittstellen strukturell ähnlich sind und von den CaMS-Herstellern gut gepflegt und stabil bereitgestellt werden. Semantische Interoperabilität kann für diese Daten auch ohne ein übergreifendes Austauschformat hergestellt werden. Gleichwohl unterstützt PIM weiterhin nationale und europäische Standardisierungsaktivitäten und Interoperabilitätsanstrengungen, entsprechend der Digital Agenda der Europäischen Union (EU) zur Förderung von Entwicklung und Innovation.

Datenschutz und Barrierefreiheit sind aus gutem Grund wichtige Akzeptanzkriterien für die Einführung neuer Software an deutschen Hochschulen. Für beide Aspekte hat sich gezeigt, dass die für den PIM-MVP umgesetzte Version für einen echten Produktiveinsatz noch einmal einer grundlegenden Überarbeitung bedurfte. Dies soll hier am Beispiel Datenschutz verdeutlicht werden: Für die Durchführung des Anerkennungsworkflows sind personenbezogene Daten unerlässlich, bei der anschließenden Veröffentlichung in der Anerkennungsdatenbank dürfen diese aber gerade nicht sichtbar sein. Erst in einer überarbeiteten Version des Datenmodells waren diese Datenarten konsequent getrennt. Der Aufwand für das damit verbundene Refactoring war mit mehreren Personenmonaten nicht unerheblich, hat aber erheblich zur nachhaltigen Wartbarkeit beigetragen.

In den ersten Erprobungen mit realen Anerkennungsfällen konnte PIM in der Praxis beweisen, dass es dem Regelbedarf der Hochschulverwaltungen und den geltenden rechtlichen Anforderungen gerecht wird. Erfahrungen mit Nutzer*innen (Hochschulmitarbeiter*innen und Studierenden) unterstreichen, dass die Anerkennungsverfahren durch PIM wesentlich vereinfacht werden und vor allem die geschaffene Transparenz, sowohl über die Anrechnungs- bzw. Anerkennungsentscheidung als auch über den Bearbeitungsstatus, einen erheblichen Mehrwert mit sich bringt. Die enge Zusammenarbeit sowohl mit den Campus-Management-Herstellern und als auch mit den Hochschulen bildet dafür auch weiterhin den entscheidenden Nukleus für die Weiterentwicklung vom PIM-Projekt zum Regelbetrieb. PIM profitiert dabei maßgeblich von der Heterogenität (u.a. hinsichtlich Organisation und technischen Infrastruktur) der beteiligten Partnerhochschulen und konnte die wertvollen Praxiserfahrungen bereits zielführend in die Stabilisierung und Weiterentwicklung der Funktionalitäten einfließen lassen. Das Ergebnis eines konfigurierbaren Workflows erlaubt einerseits eine grundlegende Standardisierung des Anerkennungs- und Anrechnungsprozesses und zugleich eine ausreichende Individualisierung entsprechend den Bedürfnissen der Hochschulen.

Das Besondere am laufenden PIM-Projekt ist, dass alle Partnerhochschulen unterschiedliche Expertise und Erfahrungen einbringen und damit wesentliche Akzente für die Weiterentwicklung setzen. Anforderungen für weitere Themenfelder, wie beispielsweise automatische Anerkennung im Rahmen von Double Degree oder die Anrechnung weiterer Bildungsabschlüsse, können so auf Basis der breiten Erfahrungsbasis der Partnerhochschulen vorangetrieben werden.

PIM möchte mobilitätsbegleitende Prozesse maximal durchlässig und medienbruchlos gestalten und gleichzeitig Wahrung der Prinzipien von Nutzendenzentriertheit und Nutzendenselbstsouveränität gewährleisten. Entsprechend der Prinzipien privacy by design bietet PIM wie bereits beschrieben eine praktikable Lösung für die selbstbestimmte Nutzung und Verwaltung von Daten. Darüber hinaus soll die Anpassung der Anrechnungs- und Anerkennungsworkflows zur Integration einer Datenwallet im Laufe des aktuellen PIM Projektes weiter validiert werden. Überdies zählt es zu den zukünftigen Herausforderungen mit dem Management von digitalen Identitäten die selbstbestimmte Nutzung und Verwaltung von Daten für die gesamte Bildungsjourney zu gewährleisten. Nicht nur dafür sind die Bedürfnisse und Erfahrungen der Studierenden von besonderem Interesse und werden zukünftig eine wesentliche Rolle für die Weiterentwicklung und die nachhaltige Nutzung an den Hochschulen spielen. Für diese Zielgruppe ist die kontinuierliche Durchführung von Akzeptanztests vergleichsweise einfach, da durch die Partnerhochschulen aus einem größeren Pool geschäft werden kann. Auf dem Weg zum Regelbetrieb kann dadurch großer Wert auf die intuitive Nutzung (zukünftig auch auf mobilen Endgeräten) unter der Berücksichtigung von Vorgaben zur Barrierefreiheit gelegt werden.

Zusammenfassend leistet PIM schon heute einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Bologna-Ziele, indem es Hochschulen bei der Etablierung transparenter und fairer Verfahren zur Anerkennung und Anrechnung von Leistungen unterstützt [Flores 2022]. Neben dem Management von Anrechnungs- und Anerkennungsverfahren ist die Abbildung der Anrechnungs- und Anerkennungsentscheidungen in der offen zugänglichen Datenbank dafür das wesentliche Feature von PIM. Transparenz und Zugang zu Informationen sind entscheidende Faktoren für die Bereiche Bildung und Entwicklung. PIM macht erlebbar, wie die digitale Transformation von Prozessen einen Mehrwert für alle Nutzergruppen schafft und gleichzeitig die notwendige Prozesskontrolle durch die Hochschulen gewährleistet wird. Damit will PIM auch zukünftig maßgeblich und praxisorientiert zur Durchlässigkeit und Flexibilisierung von Bildung beitragen und Bildungsreisen – auch außerhalb eines Studiums – unterstützen und vereinfachen.

Kontakt zum Team der Plattform für inter*nationale Studierendenmobilität (PIM) über info@pim-plattform.de.

Literatur

Flores, A.; Leifgen, H.: Recognition and digitalisation in Europe - What steps to take for higher education institutions? Deutscher Akademischer Austauschdienst e.V., 2022. https://eu.daad.de/medien/eu.daad.de.2016/dokumente/service/veranstaltungen/2022/na_daad_recognition-and-digitalisation_web_rz.pdf (last check 2023-09-05)

Gilch, H.; Stein, M. et al.: Erhebung und Kartierung einschlägiger Projekte und Initiativen zur Digitalisierung von Anerkennungs- und Anrechnungsprozessen an Hochschulen, Hochschulrektorenkonferenz. 2022. https://www.hrk-modus.de/media/redaktion/Downloads/Publikationen/MODUS/MODUS_Studie_Digitalisierung_22_03.pdf (last check 2023-09-05)

Gilch, H.; Stratmann, F.: Digitalisierung des Student-Life-Cycle–Herausforderung und Chance für die Hochschulen. In: RdJB Recht der Jugend und des Bildungswesens, 70(4), 2023, pp. 618-628.

Strack, H.; Bacharach, G.; et al.: Progress on Digitization of Higher Education Processes towards Standards EU & DE. In: Proceedings of the European Univer, 78, 2021, pp. 77-88. https://pim-plattform.de/wordpress/wp-content/uploads/2021/07/FINDE-03-EUNIS2021-full-2205.pdf (last check 2023-09-05)

Strack, H.; Gollnick, M.; et al.: Digitization of (Higher) Education Processes: Innovations, Security and Standards. In: EPiC Series in Computing, 86, 2022, pp. 22-33. https://doi.org/10.29007/rrg4 (last check 2023-09-05)