Anschluss der vhs.ID an die digitale Vernetzungsinfrastruktur für die Bildung
urn:nbn:de:0009-5-57748
Zusammenfassung
Der Deutsche Volkshochschulverband e.V. (DVV) fördert die Weiterbildung und Bildungsarbeit der Volkshochschulen in Deutschland. Einen wichtigen Schritt in Richtung der digitalen Lehre hat der DVV 2018 mit der Entwicklung der vhs.cloud als volkshochschulinterne, digitale Lern- und Lehrplattform gemacht.
Das Identitätsmanagementsystem vhs.ID ermöglicht Lehrenden und Lernenden den Zugriff auf die vhs.cloud und weitere digitale Angebote der Volkshochschulen mit einem einzigen Account.
Dieses digitale Ökosystem soll im Projekt EVA-NBP um Such- und Empfehlungsfunktionalitäten für Kursangebote der Volkshochschulen erweitert werden. Volkhochschulen nutzen für die Erfassung von Kursdaten verschiedene Kursverwaltungsprogramme auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Die aktuell größte Herausforderung ist somit, einen allgemeingültigen Standard für die Metadatenverwaltung zu entwickeln, der für eine Empfehlungsfunktion und eine Kurssuche genutzt werden kann. Die Kurse nach einem neuen Kategorienstandard zu verschlagworten, ist eine vielversprechende Option und wird mit ausgewählten Volkshochschulen getestet. Die Projektmitarbeitenden des DVV berichten in diesem Beitrag von den aktuellen Entwicklungen.
Stichwörter: e-learning; Erwachsenenbildung, Lebenslanges Lernen, Bildungsreise, Lernmanagement-Ökosysteme, Interoperabilität, Selbstsouveränität, Metadaten, Standardisierung, Verschlagwortung
Abstract
The German Adult Education Association (DVV) promotes the educational work of adult education centers in Germany. The DVV took an important step towards digital teaching in 2018 and developed the vhs.cloud as an adult education center’s internal digital learning and teaching platform.
The associated identity management system called vhs.ID enables teachers and learners to access the vhs.cloud and further digital offerings by the adult education centers with a single account.
In the EVA-NBP project, this digital ecosystem is to be expanded to include search and recommendation functionalities for courses offered by adult education centers. Since the adult education centers use various administration programs and different approaches, there is an inconsistent set of course metadata. The biggest challenge now is therefore, to develop a universal standard for metadata management that can be used for a recommendation algorithm and a course search. Keywording the courses according to a category standard represents a promising perspective that is to be tested together with selected adult education centers. In this article, the project staff of the DVV report on the current developments.
Keywords: e-learning, adult education, lifelong learning, learning journey, learning management ecosystems, interoperability, self-sovereignty, metadata, standardization, keywording
1. Ausgangslage: Der Deutsche Volkshochschulverband im Digitalen Bildungsraum
Der Deutsche Volkshochschul-Verband e.V. (DVV) ist der Bundesverband der Landesverbände der Volkshochschulen in Deutschland. Er fördert die Weiterbildung und Bildungsarbeit der Volkshochschulen und vertritt die Interessen seiner Mitglieder. Im Mittelpunkt des Projektes EVA-NBP steht die Weiterentwicklung des digitalen Lern- und Identitätssystems der Volkshochschulen im Anschluss an die digitale Vernetzungsinfrastruktur für die Bildung. Das sogenannte vhs.ID-Management ermöglicht bereits über eine Million registrierten Nutzer*innen den Zugang zu bundesweiten Bildungsangeboten der Volkshochschulen mit einer einzigen ID. Der Hauptlogin und die Registrierung mit der vhs.ID erfolgen über das Cloud-System der Volkshochschulen. Mit der vhs.cloud betreibt der Deutsche Volkshochschul-Verband e.V. seit 2018 eine reichweitenstarke Lehr- und Lernmanagement-Plattform mit aktuell 797 registrierten von insgesamt über 850 Volkshochschulen in Deutschland.
Die vhs.cloud ist der zentrale Ort für Onlinekurse und stellt auch für Präsenzkurse eine sinnvolle digitale Ergänzung dar. Darüber hinaus gibt es eine Reihe an Selbstlernszenarien. Innerhalb von Kursen kann die Plattform für die Kommunikation und kollaborative Zusammenarbeit genutzt werden. Außerdem gibt es einen volkshochschulübergreifenden Netzwerkbereich, der den Austausch und die Vernetzung zwischen den Volkshochschulen und Landesverbänden ermöglicht.
Die vhs.ID erlaubt den Usern eine unkomplizierte Authentifizierung in den weiteren Lernangebotsplattformen per Single-Sign-On-Verfahren (SSO). Dazu zählen das vhs-Lernportal - ein kostenloses Selbstlernangebot -, vhs.intern - ein geschützter Bereich zur Dokumentenablage -, vhs-OnlineSchulung - eine Plattform für Kursleitungen – sowie vorgefertigte Kursräume und Handbücher.
Durch die Reich- und Tragweite des Angebotes bildet die vhs.cloud einen vielversprechenden Ausgangspunkt für den Anschluss der Bildungsangebote der Volkshochschulen an die digitale Vernetzungsinfrastruktur für die Bildung. Hierfür soll im Projektvorhaben das vhs.cockpit (Arbeitstitel) entwickelt werden: Ein digitaler Ort für die individuelle Gestaltung einer vhs-Lernreise sowie die Suche nach neuen Lernangeboten.
Die zweite Grundlage für die Entwicklung des vhs.cockpits bildet neben der vhs.ID der vhs-Kursfinder, eine zentrale Kursdatenbank, die als Serviceleistung vom DVV angeboten und von ca. 500 Volkshochschulen genutzt wird. Über einen teilweise automatisierten Export aus den Kursverwaltungsprogrammen können die Volkshochschulen Kursdaten zu aktuellen Lernangeboten an die zentrale vhs-Kursfinder-Datenbank weitergeben. Interessierte haben dann die Möglichkeit, auf einer Plattform das Kursangebot der teilnehmenden Volkshochschulen deutschlandweit zu durchsuchen. Hier werden neben den Präsenzkursen auch reine Online-Kurse angeboten. Darüber hinaus können Anbieter von Weiterbildungsplattformen über die OpenVHS-Schnittstelle auf die Kursdaten zugreifen. Das Kursangebot der teilnehmenden Volkshochschulen wird somit deutschlandweit und digital sichtbar.
Im Austausch mit dem Projektträger zum aktuellen Arbeitsstand wurde nun ein neuer Meilenstein definiert. In den kommenden Monaten wird bereits eine Testgruppe von drei Volkshochschulen über das vhs.cockpit an die digitale Vernetzungsinfrastruktur angeschlossen. Dafür wird eine erste Alpha-Version des vhs.cockpits entwickelt, welche die Volkshochschulen prototypisch mit semesteraktuellen Inhalten befüllen. Gemeinsam mit den Pilot-Volkshochschulen können wir in dieser Version den nahtlosen Übergang auf die digitale Vernetzungsstruktur für die Bildung erproben und bewerten.
2. Projektziel: Anschlussfähigkeit
Das vhs.cockpit soll ein userinterner Bereich sein, in dem Kursteilnehmer*innen ihre vhs-Lernreise selbstständig gestalten und verwalten können. Ein Anschluss an die digitale Vernetzungsinfrastruktur für die Bildung ermöglicht von hier aus den Sprung auf ergänzende Lernangebote anderer Anbieter. Neben der Organisation von aktuellen, zukünftigen und vergangenen Kursen, können die User über eine integrierte Suche selbstständig neue Kurse finden. Einen besonderen Mehrwert bietet ein intelligentes Empfehlungssystem auf Grundlage der Zusammenführung von userbezogenen und kursbezogenen Metadaten. Userbezogene Daten sollen dabei weniger demographische Aspekte beinhalten, sondern aus Interessenprofilen der User entstehen. Bestimmte Interessen und Kompetenzen können hierfür hinterlegt und Kurssuchen gespeichert werden. Dadurch wird eine personalisierte, aber transparente Kursempfehlung möglich, die auf von Usern selbstständig festgelegte, individuellen Bedarfe abgestimmt ist.
Abbildung 1 visualisiert das konzipierte Zusammenspiel der Plattformen. Das vhs.cockpit wird für die User über die vhs.cloud erreichbar sein und die drei Hauptfunktionen (Kurssuche, Kursverwaltung und Kursempfehlung) beinhalten. Die Datengrundlage für diese Funktionalitäten bildet die Datenbank des vhs-Kursfinders, die wiederum mit den Metadatensätzen aus den verschiedenen Kursverwaltungssoftwares der Volkshochschulen befüllt wird. Das vhs.cockpit wird anschlussfähig an die digitale Vernetzungsinfrastruktur für die Bildung über eine SSO-Schnittstelle.
Für den Anschluss des vhs.cockpits an die digitale Vernetzungsinfrastruktur muss neben der technischen Verbindung auch die Interoperabilität der Kursmetadaten gegeben sein. Dafür werden Wege zur Standardisierung entwickelt. Außerdem soll in der Entwicklung eines Metadatenstandards auch die mögliche Zusammenfassung und Präsentation der Kursangebote für Nutzer*innen außerhalb der vhs.cloud mitgedacht werden und somit für eine bessere Sichtbarkeit sorgen.
3. Projektstart: Neue Erkenntnisse und Herausforderungen
In den ersten Monaten der Umsetzungsphase waren zentrale Themen die Qualität der Daten in der Kursfinder-Datenbank sowie mögliche Anreicherungs- und Optimierungsstrategien. Es wurde festgestellt, dass nur bedingt ein Standard vorliegt und vorhandene Datenfelder nicht zuverlässig ausgefüllt werden. Das liegt einerseits daran, dass in den Volkshochschulen verschiedene Kursverwaltungsprogramme genutzt werden, die sehr unterschiedliche Eingabefelder beinhalten. Andererseits unterscheiden sich die Volkshochschulen deutlich in ihrer Größe, in ihren Organisationsstrukturen und dadurch auch ihren Ansätzen und ressourcenbegrenzten Möglichkeiten zur Datenpflege. Insbesondere Detailmerkmale wie Zielgruppen oder redaktionelle Schlagworte werden, teilweise über Freitextfelder oder auch Auswahlvorgaben uneinheitlich bestimmt. Das führt zu sehr heterogenen Metadatensätzen und infolgedessen zu ungenauen Suchergebnissen. Es fehlt an Merkmalen, die sich für den Aufbau eines Empfehlungssystems nutzen lassen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer technischen Optimierungsstrategie, um den Mangel an Standardisierung technisch gestützt zu kompensieren – und vorhandene Daten bestmöglich aufzubereiten.
Obwohl es keinen deutschlandweit zuverlässig gepflegten und detaillierten Kursdatenstandard gibt: Stammdatensätze zu Veranstaltern, Kursnummern, Terminen und Kursleitungen, die für die Zuordnung in der Kursorganisation des vhs.cockpits wichtig und zumindest für das Fundament eines Empfehlungssystems tauglich sind, sind bereits in Form von strukturierten Daten mehr oder weniger up-to-date verfügbar.
Die sogenannte Programmbereichslogik der Volkshochschulen, eine strukturierte Zuordnung von Kursen zu bestimmten Fachthemen, ist ein Ansatzpunkt für ein Empfehlungssystem, das Vorschläge auf Grundlage von thematischen Interessen generiert und präsentiert. Trotzdem muss auch diese Themenlogik noch detaillierter bzw. zugänglicher werden, um passgenaue Empfehlungen ausgeben zu können. Die Möglichkeit der Mehrfach-Zuordnung von Kursen zu Themenbereichen, synonyme Bezeichnungen und die Einbettung von Kursen in modern gedachte, lebensnahe Interessensgebiete sind nur einige der Herausforderungen an ein Empfehlungssystem, das auf einen überschaubaren Bestand an Daten aufsetzen muss.
4. Erste Lösungsansätze
Aus den bisher gewonnenen Erkenntnissen und damit verbundenen Herausforderungen ergeben sich sehr unterschiedliche Anforderungen an mögliche Lösungen. Einerseits muss der Prozess der Sammlung von Kursdaten so gestaltet werden, dass die Volkshochschulen trotz unterschiedlicher Größe und Ressourcenverfügbarkeit sowie verschiedenen Kursverwaltungssystemen gleichermaßen anschlussfähig werden. Andererseits muss der Mangel an für ein personalisiertes Empfehlungssystem notwendigen Daten kompensiert werden – denn das Set der Metadaten, die bereits zuverlässig vergeben werden, beschränkt sich bisher nahezu ausschließlich auf die Dimensionen Thema, Name, Beschreibung, Termine und Ortsangaben.
Der eingeschlagene Lösungsweg zielt darauf ab, zwischen der Komplexität der Einführung neuer Merkmale und der Fokussierung auf bereits gängige Dateneingaben zu vermitteln. Zunächst wurden die vorhandenen Metadaten aus der vhs-Kursfinder Datenbank bereinigt. Dafür wurden zum Beispiel thematische Schlagworte in Python 3 in Wortgrenzen gesplittet und “Stopwords” (Präpositionen, Artikel, Pronomen etc.) sowie Komposita und Flexionsmorpheme herausgefiltert. Diese bereinigte Metadatenliste wurde im Anschluss mit den Pilot-Volkshochschulen manuell überarbeitet, sodass sinnvolle Kategorien entstanden und das Schlagwortset ausreichend war, um das gesamte Kursangebot zu beschreiben. Die für das Empfehlungssystem erforderlichen Schlagworte, die bisher nicht oder nur unzureichend im Metadatensatz vorhanden waren, sollen zukünftig direkt in den jeweiligen Kursverwaltungsprogrammen eingegeben werden.
Aktuell wird diesbezüglich mit den Volkshochschulen zusammen erprobt, inwieweit inhaltliche (Aus welchen Merkmalen lassen sich möglichst effizient Mehrwerte für potenzielle Lernende schaffen?), technische (z. B. Schnittstellen in den Kursverwaltungssoftwarelösungen) und organisationale (Welcher Workflow eignet sich für eine bundesweite Implementierung?) Prozesse in einer vielfältigen vhs-Landschaft Chancen auf breite Akzeptanz haben. Unter Rücksicht auf die Praxisexpertise der Pilot-Volkshochschulen werden ergänzende Metadaten-Standards bestimmt, die für das Empfehlungssystem erforderlich sind. Diese betreffen vor allem Merkmale zu Interessengruppen (Spracheninteressierte, Studierende, Menschen mit Lernschwiergkeiten etc.), Kurslevel (Anfänger*innen oder Fortgeschrittene, A1, A2 etc.), Altersgruppen (Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senior*innen) und weitere Schlagworte.
In der Alpha-Phase wird das vhs.cockpit über die vhs.cloud erreichbar sein und ausschließlich mit den Kursdatensätzen der Testvolkshochschulen bestückt. Dieses Quickwin-Projekt dient neben der Entwicklung eines Minimum Viable Products (MVP) im Anschluss an das MVP der digitalen Vernetzungsinfrastruktur für die Bildung auch als Leuchtturmprojekt, mit dem der DVV die Volkshochschulen in Deutschland möglichst erfolgreich zur Datenpflege und Teilhabe an unserem Projekt aktivieren kann.
Neben dieser Initiative werden in Zusammenarbeit mit den Volkshochschulen und dem Projektpartner Strategien entwickelt, um den vorhandenen Satz an bundesweiten Kursdaten technisch mittels Synonym-Mappings und durch redaktionelle Modelle rund um die Zielgruppen der Volkshochschulen anzureichern. Auch Wege zur automatisierten Verschlagwortung, Generierung von Synonymen und Aufbereitung von Kursdatenbeständen, zum Beispiel mittels KI-Anwendungen wie ChatGPT, werden gemeinsam mit den Volkshochschulen geprüft.
Nachdem dieser Lösungsweg gemeinsam mit der Test-Gruppe erprobt wurde, wird der nächste Schritt sein, den eingeschlagenen Weg gemeinsam mit den weiteren Volkshochschulen in Deutschland zu gehen.
5. Projektausblick
Aus dem bisherigen Projektverlauf ergeben sich neue Herausforderungen, aber auch vielversprechende Perspektiven. Das Maß an Vernetzung und Sichtbarkeit der Bildungsangebote der Volkshochschulen wird erhöht: Die Erweiterung der vhs.ID im Anschluss an die Digitale Vernetzungsinfrastruktur für die Bildung vermittelt zwischen Menschen, die bereits Volkshochschulkurse besucht haben, und den Anbietern weiterer Bildungsformate. Das vhs.cockpit als Plattform für die selbstsouveräne Interaktion mit dem vhs-Kursangebot ermöglicht die Anschlussfähigkeit und damit die Entfaltung von Lernbiografien. Durch die Integration der Angebote der Volkshochschulen in den Kontext der digitalen Vernetzungsinfrastruktur werden Volkshochschulbildung wiederum anschlussfähig für Menschen und Organisationen, die womöglich bisher wenig Berührungspunkte damit hatten.
Durch die angestoßenen Entwicklungsprozesse entstehen aber nicht nur neue Verbindungspunkte zwischen Nutzer*innen der vhs.cloud und den Angeboten der Volkshochschulen. Auch auf der Ebene der Organisation der Volkshochschulen sollen Prozesse initiiert werden, welche die Wettbewerbsfähigkeit der Volkshochschulbildung in Deutschland in einem digital geprägten Umfeld verbessern können. Ebendiese Prozesse betreffen vor allem die systematische Aufbereitung und sinnvolle, technisch gestützte Verarbeitung von Kursdaten, die großes Potenzial bietet, aber stets einer vielfältigen, kommunal und föderalistisch organisierten Volkshochschullandschaft gerecht werden muss.