1 Problemstellung und Zielsetzung

Die Frage, ob das Studium auf das Berufsleben vorbereitet, wird sich früher oder später vermutlich jeder Student einmal stellen. Sind die Inhalte des Curriculums an die Anforderungen der späteren Aufgaben im Beruf angepasst? Schafft es der Lehrplan der Hochschule, den Studierenden auf dem Arbeitsmarkt durch gezielte Ausrichtung auf notwendige fachliche und überfachliche Kompetenzen einen Vorteil zu verschaffen? Die Fragestellung, warum Dinge gelehrt werden, die vielleicht vor einigen Jahren hochaktuell waren, heute aber ihren Zenit überschritten haben, wird viel diskutiert und lässt sich sicherlich nicht pauschal beantworten.

Auffällig ist jedoch, dass in einigen Berufsfeldern – insbesondere in informatiknahen Disziplinen – eine Diskrepanz zwischen den Anforderungen der aktuellen Berufspraxis und den in der akademischen Ausbildung vermittelten Kompetenzen existiert (vgl. hierzu [10], [12] u. [23]). Ein Einflussfaktor hierfür ist die anhaltend rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien und der hiermit verbundenen Industriezweige [15]. Stetig kürzer werdende Technologiezyklen in der ICTIndustrie führen dazu, dass das wertschöpfungsrelevante Fachwissen von Mitarbeitern erodiert [19]. Zur Aufrechterhaltung des Humankapitals müssen Unternehmen in Personalentwicklungsmaßnahmen investieren oder neue Fachkräfte am Arbeitsmarkt akquirieren [22].

Angesichts dieser Wissenserosion stehen Hochschulen als Bildungsanbieter der Aufgabe gegenüber, zeitgemäße Curricula zu entwickeln, welche die Beschäftigungsbefähigung der Absolventen stellen [19]. Hierfür ist eine Informationsbasis erforderlich, die z. B. Auskunft über marktseitig nachgefragte Bildungsthemen und Kompetenzen liefert. In der Wertschöpfungskette von Bildungsinstitutionen wird die systematische Gewinnung dieser Datengrundlage in den Aktivitäten der Bildungs- bzw. Lernbedarfsermittlung abgebildet [21].

Eine attraktive Methode für die Bildungsbedarfsermittlung ist die Stellenanzeigenanalyse, die durch Auswertung von Stellenanzeigen Aussagen über berufliche, personenbezogene und sozial-kommunikative Anforderungen von Institutionen an spezifische Bewerbergruppen liefern kann [4]. Diese Methode ist in der Lage, den Qualifikationsbedarf unterschiedlicher Berufsfelder transparent zu machen und inhaltliche Verschiebungen im Zeitablauf zu verdeutlichen (s. [18], [25]). Durch die Erschließung dieser Methode für Hochschulen eröffnet sich die Möglichkeit, die Anforderungen des Arbeitsmarkts kontinuierlich zu beobachten (Arbeitsmarktmonitoring, s. [11]), emergierende Bildungsthemen frühzeitig zu erkennen, und diesen Entwicklungen durch die Gestaltung eines tragfähigen, marktorientierten Aus- und Weiterbildungsangebots zu begegnen.

Angesichts dieser informatorischen Potenziale wird im Folgenden ein Konzept entwickelt, um die Methode der Stellenanzeigenanalyse (Job Advertisement Analysis) für Hochschulen zu erschließen und in Form von IT-Services technisch und organisatorisch zu verankern. In Anlehnung an das Forschungsfeld des Business Intelligence [5] sind solche analytischen Services in den Bereich des Job Intelligence einzuordnen, unter dem Methoden, Instrumente und Prozesse zur Analyse der Arbeitsmarktnachfrage [16] zu verstehen sind. Zur Konzeption entsprechender Job Intelligence-Services werden im Rahmen eines gestaltungsorientierten Ansatzes [17] zunächst die informationstechnischen Aspekte beleuchtet. Zu diesem Zweck werden die Merkmale von Stellenanzeigen als Datengrundlage erläutert und die Architektur eines prototypischen Job Intelligence-Systems vorgestellt, mit dem großvolumige Bestände von Stellenanzeigen automatisch ausgewertet werden können. Dieses System wurde an der Hochschule für Telekommunikation Leipzig (HfTL) in Zusammenarbeit mit der Deutsche Telekom AG entwickelt und zur Analyse von Stellenanzeigen für IT-Fachkräfte eingesetzt [26]. Exemplarische Analyseergebnisse dieses Systems runden die informationstechnischen Aspekte ab. Anschließend wird die organisatorische Verankerung von Job Intelligence-Services anhand des Referenzmodells der IT Infrastructure Library (ITIL) [3] vorgestellt. Abschließend werden Chancen und Risiken des konzipierten Ansatzes identifiziert.

2 Informationstechnische Aspekte des Job Intelligence

2.1 Stellenanzeigen als empirische Basis für die Stellenanzeigenanalyse

Empirische Basis für die Stellenanzeigenanalyse stellen die von Unternehmen oder öffentlichen Institutionen veröffentlichten Stellenanzeigen dar. Potenzielle Datenquellen sind Presseerzeugnisse (z. B. Tageszeitungen, Fachzeitschriften) oder internetbasierte Jobportale. Solche Jobportale sind für Unternehmen von besonderem Interesse, da sie in der Lage sind, arbeitsaufwändige Schritte des Personalbeschaffungsprozesses zu automatisieren [24]. Aus forschungsökonomischer Perspektive sind Jobportale besonders attraktiv, da Stellenanzeigen in elektronischer Form vorliegen und frei verfügbar sind.

Durch Analyse unterschiedlicher Jobportale ist festgestellt worden, dass Stellenanzeigen über weitgehend einheitliche, inhaltliche Komponenten verfügen. Diese werden in Abbildung 1 exemplarisch dargestellt und im Folgenden kurz erörtert.

Abbildung 1: Aufbau einer Stellenanzeige im Jobportal der Deutsche Telekom AG

Das skizzierte Beispiel enthält eine Stellenanzeige für einen Systems Engineer (➀ Stellenbezeichnung), die zunächst eine Reihe von Detailangaben (➁) zur Stelle auflistet (Land, Region, Bewerbungsschluss, Stellen-ID). Im Anschluss folgen die Vorstellung der ausschreibenden Unternehmung bzw. des Unternehmensbereichs (➂), die eigentliche Stellenbeschreibung mit Aufzählung der Aufgabenfelder (➃), die erwünschten Bewerberqualifikationen (➄) mit den spezifischen Fähigkeiten, Kenntnissen und Verhaltensweisen, sowie ein abschließender Text mit stellenbezogenen Karriereinformationen (➅) (z. B. Karrieremöglichkeiten, besondere Leistungen), die weitere Anreize zur Bewerbung kommunizieren sollen. Darüber hinaus sind auch Kontaktdaten für einen Ansprechpartner hinterlegt, um die Kontaktaufnahme des Bewerbers zu stimulieren (➆).

Wie aus Abbildung 1 deutlich wird, kommen die Qualifikationsanforderungen an Bewerber primär durch die Inhaltskomponenten ➃ und ➄ zum Ausdruck, die in Stellenanzeigen üblicherweise als Fliesstext formuliert sind. Diese Qualifikationsanforderungen besitzen sowohl fachlichen Charakter ("Data Warehouse", "Datenbanken"), als auch überfachlichen Charakter ("Zuverlässigkeit", "Einsatzbereitschaft").

Zur Analyse von Stellenanzeigen sind Informationssysteme notwendig, die potenziell interessante und relevante Erkenntnisse aus der empirischen Basis gewinnen können. Infolgedessen ist nun auf die Systemarchitektur einzugehen.

2.2 Architektur eines prototypischen Job Intelligence-Systems

Zur informationstechnischen Umsetzung des Job Intelligence ist ein analytisches Informationssystem [1] zu konzipieren, das sämtliche Schritte von der Extraktion der Stellenanzeigen aus Jobportalen über deren Analyse bis hin zur Ergebnisvisualisierung für den Anwender abdeckt. Diese Schritte werden in Abbildung 2 anhand einer Analysepipeline dargestellt, die wesentliche Verarbeitungskomponenten und Datenbestände umfasst.

Abbildung 2: Architektur eines Job Intelligence-Systems

Zur Extraktion der Stellenanzeigen aus Jobportalen wird eine Extraktorkomponente eingesetzt, die Jobportale periodisch (i.d.R. werktäglich) nach neuen Stellenanzeigen durchsucht und diese in einen lokalen Rohdatenbestand überführt. Dieser Vorgang erfolgt mithilfe von Screen Scraping-Techniken, die das Auslesen von Stellenanzeigen aus der Präsentationsschicht von Portalen gestatten. Der generierte Rohdatenbestand wird anschließend mithilfe von Dokumentprozessoren verarbeitet, die der automatischen Extraktion relevanter Merkmale aus den gesammelten Dokumenten dienen [8]. Diese Prozessoren ermitteln z. B. die Quellensprache des jeweiligen Dokuments, zerlegen Wortkomposita in Einzelelemente und extrahieren aussagekräftige Wortarten bzw. Wortfolgen.

Nach der Merkmalsextraktion liegt ein Analysedatenbestand vor, auf den Methoden zur Textanalyse angewendet werden können. Geläufig sind hierzu etwa Verfahren zur Häufigkeitsanalyse von Worten bzw. Wortarten, zur Identifikation von Assoziationen zwischen Begriffen sowie zur Segmentierung und Klassifikation von Dokumenten. Die Ergebnisse dieser Analysemethoden werden anschließend mithilfe von Abfrage- und Berichtsdiensten an den Anwender ausgeliefert.

Hervorzuheben ist, dass sämtliche Schritte der dargestellten Analysepipeline automatisiert werden können. Infolgedessen ist auch die Verarbeitung großvolumiger Datenbestände (Big Data [7]), wie sie bei der Analyse von Stellenanzeigen aus mehreren Jobportalen (z. B. für unterschiedliche Sektoren oder Branchen) anfallen, möglich. Zum Proof of Concept wurde die oben skizzierte Systemarchitektur prototypisch implementiert und betrieben, sodass im Folgenden exemplarische Analyseergebnisse vorgestellt werden. Dabei steht die Analyse des Arbeitsmarkts für IT-Fachkräfte im Mittelpunkt.

2.3 Exemplarische Analyseergebnisse für den Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte

Zentrale Fragestellungen, die bei der Gestaltung des Job Intelligence-Systems im Vordergrund standen, manifestieren sich in den Analysedimensionen Branchen, Fachrichtungen und Berufsfelder. Die Fragestellung nach der Branche der stellenausschreibenden Unternehmen sucht nach Hinweisen darauf, welche volkswirtschaftlich relevanten Branchen bzw. Sektoren den größten Bedarf nach ITFachkräften aufweisen. Der in Stellenanzeigen artikulierte Bedarf nach IT-Fachkräften umfasst üblicherweise auch den gesuchten akademischen Abschluss (Fachrichtung) des künftigen Arbeitnehmers (z.B. Informatik, Nachrichtentechnik), der insbesondere für die Anbieter tertiärer Bildungsangebote (z.B. Universitäten und Fachhochschulen) von Interesse ist. Weiterhin ist der Fragestellung nachgegangen worden, für welche konkreten Berufsfelder (z.B. Entwickler) IT-Fachkräfte gesucht werden und welche Kompetenzen diese mitbringen sollten.

Die Datengrundlage für die Analyse bilden veröffentlichte Stellenanzeigen in Jobportalen. Zur Gewinnung dieser Datengrundlage wurden sechs führende Jobportale ausgewählt, in denen schwerpunktmäßig Stellenanzeigen für IT-Fachkräfte publiziert werden. Hierzu gehören die Portale Jobpilot und Stepstone, als auch spezifischere Portale wie FAZJob, ITJobBoard und Xing. Darüber hinaus wurde auch das Jobportal der Deutschen Telekom AG als ein führendes Unternehmen der IKT-Branche aufgenommen. Diese Stellenanzeigen sind über einen Zeitraum von vier Kalendermonaten (Juni - September 2012) kontinuierlich gesammelt und in einem Analysedatenbestand zusammengeführt worden, sodass schließlich mehr als 40.000 Stellenanzeigen zur Auswertung vorlagen.

Zur Ergebnisauswertung und Entdeckung inhaltlicher Zusammenhänge wurde ein Dashboard konzipiert. Ein Dashboard ist ein Überblicksbericht, der relevante Aussagen in aufbereiteter Form darstellt und so dem Entscheidungsträger eine Zusammenfassung von Kernaspekten liefert [9]. Ein Beispiel für ein Dashboard ist in Abbildung 3 dargestellt. Dieses Dashboard umfasst Kernaspekte für sämtliche Stellenanzeigen, in denen Entwickler gesucht werden. Für dieses Berufsfeld liefert das Dashboard den zeitlichen Verlauf der Stellenanzeigen (Publikationsdatum), die Verteilung der Stellenanzeigen auf unterschiedliche Branchen und Unternehmen, sowie differenzierte Angaben über die häufigsten Qualifikationsanforderungen an Entwickler.

Diese Qualifikationsanforderungen sind einerseits nach fachlichen Kategorien differenziert. Hierzu gehören die gewünschten Konzepte und Methoden (z. B. WebServices, UML), Programmiersprachen (z. B. Java, SQL, C++), sowie spezifisches Produktwissen (z. B. Oracle, SAP, Linux). Andererseits werden auch die überfachlichen Anforderungen differenziert dargestellt. Dazu zählen die sozialen Kompetenzen (z. B. Teamfähigkeit, Verantwortung), die persönlichen Kompetenzen (z. B. Sorgfalt, Engagement) sowie berufsbezogenen Kompetenzen (z. B. Englischkenntnisse, Berufserfahrung). In der Literatur wird die hohe Bedeutung dieser überfachlichen Kompetenzen für IT-Fachkräfte mittlerweile mehrheitlich betont [23].

Abbildung 3: Exemplarische Visualisierung mithilfe eines Dashboards (Berufsbild Entwickler)

Mithilfe des Analysesystems können nicht nur spezifische Berufsbilder wie z. B. das des Entwicklers untersucht werden, sondern auch Anforderungen an Absolventen bestimmter Fachrichtungen transparent gemacht werden. Durch Analyse der Stellananzeigen konnte zunächst festgestellt werden, dass die gesuchte Fachrichtung Informatik in der empirischen Basis dominiert. Abbildung 4 zeigt die Verteilung der Stellenanzeigen auf unterschiedliche Fachrichtungen. Dabei ist zu beachten, dass in Stellenanzeigen bisweilen doppelte Nennungen von Fachrichtungen vorkommen, da die Stellenanzeigen in der Regel nicht auf eine einzige Fachrichtung festgelegt sind. Die Unternehmen suchen beispielsweise nach Wirtschaftsinformatikern, erweitern das Suchgebiet aber durch weitere Fachrichtungen, die alternativ auch geeignet erscheinen. Diese Unschärfe ist bei einer Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen.

Abbildung 4: Verteilung der Stellenanzeigen auf Fachrichtungen

Die Qualifikationsanforderungen an Absolventen der Fachrichtung Informatik können mithilfe des Dashboards detaillierter untersucht werden (Abbildung 5). Dargestellt sind die Verteilung der häufigsten Berufsfelder (Abbildung 5a) sowie die prozentualen Häufigkeiten der fachlichen Qualifikationsanforderungen (Abbildung 5 b-d) der Top7-Werte. Die Angaben beziehen sich auf den Gesamtdatenbestand. Bezüglich der Verteilung auf die Berufsfelder innerhalb der Fachrichtung zeigt sich, dass für Informatiker am häufigsten Stellen als Entwickler (50%) oder Berater (34%) vakant sind.

Abbildung 5: Qualifikationsanforderungen an Absolventen der Fachrichtung Informatik

Bei den Anforderungen in der Kategorie Konzepten und Methoden dominieren Kenntnisse zu den ITServices (28%). Im Bereich der Sprachen sind Java (17%) und SQL (13%) gefragte Kompetenzen, jedoch zeichnet sich ein eher breit gefächertes Bild. In der Anforderungskategorie Hersteller und Produkte dominiert SAP (30%), es folgen Oracle, Windows und Linux.

Diese exemplarischen Analyseergebnisse des Job Intelligence liefern interessante Einblicke in die Anforderungen von Unternehmen an potenzielle Absolventen und bieten Hochschulen somit Anhaltspunkte zur praxisorientierten Ausrichtung von Aus- und Weiterbildungsangeboten. So können die Ergebnisse einerseits genutzt werden, um das bestehende Angebotsportfolio in Bezug auf Marktrelevanz zu prüfen und neue Entwicklungen frühzeitig zu erkennen. Darüber hinaus unterstützen die skizzierten Ergebnisse auch die gezielte Gestaltung neuer Bildungsangebote, mit denen bestimmte Branchen, Sektoren, Regionen und Berufsbilder thematisch fokussiert werden können. Potenzielle Adressaten für entsprechende Abfrage- und Berichtsdienste bilden sämtliche Akteure, die an Analyse- und Konzeptionsschritten der Studiengangsentwicklung partizipieren (z. B. Studiengangsverantwortliche, Akteure des Qualitätsmanagements). Darüber hinaus sind die erzielten Resultate auch für die Ausgestaltung der Modul- und Veranstaltungsebene relevant. So können Modulverantwortliche und Lehrende Qualifikationsanforderungen der Praxis identifizieren und in die kompetenzorientierte Ausgestaltung der Lehre einfließen lassen. Nicht zuletzt ist in den Ergebnissen auch eine interessante Informationsquelle für Studierende zu sehen, um sich frühzeitig mit den aktuellen Anforderungen des Arbeitsmarkts auseinander setzen zu können.

3 Organisatorische Integration von Job Intelligence-Services

Um das skizzierte Job Intelligence-System für Hochschulakteure verfügbar zu machen, ist eine organisatorische Integration in Form von IT-Services erforderlich [6]. Dazu ist der Job Intelligence-Prozess in die Planungs- und Entscheidungsprozesse der Institution zu integrieren [1]. Aufbauend auf dem bestehenden Informationsbedarf der Hochschulakteure nach bestimmten Abfragen und Berichten müssen Zuständigkeiten für den Regelbetrieb und die Administration festgelegt werden. Dabei bietet sich eine Orientierung an der IT-Infrastructure Library (ITIL) als branchenübergreifendem de facto-Standard für IT-Services an. Die zentralen Handlungsfelder und Aktivitäten dieses Referenzmodells zeigt Abbildung 6.

Abbildung 6: Aktivitäten im Service-Lebenszyklus nach ITIL V3 [3]

Im Handlungsfeld der Service Strategy sind zunächst die strategischen Aspekte der Job Intelligence-Services zu definieren. Hierzu gehört beispielsweise eine Analyse der potenziellen Nutzeffekte bei der Unterstützung definierter Hochschulprozesse, insbesondere bei der Gestaltung von Aus- und Weiterbildungsangeboten, sowie eine tragfähige Darstellung der erwarteten Gesamtkosten (Total Cost of Ownership, TCO). Das Service Design hat anschließend die inhaltliche Ausgestaltung des Job Intelligence-Services zu leisten, indem die notwendigen Berichte und Abfragen konzipiert, entwickelt und umgesetzt werden. Nach erfolgreichem Test des Job Intelligence-Systems ist im Zuge des Service Transition durch ein adäquates Change Management dafür zu sorgen, dass die analytischen Dienste in den Produktivbetrieb überführt werden (Service Operation). Da beim Betrieb analytischer Informationssysteme aufgrund wechselnder Informationsbedarfe institutioneller Entscheidungsträger häufig mit Änderungen zu rechnen ist, kommt dem Bereich der kontinuierlichen Serviceverbesserung (Continual Service Improvement, CSI) besondere Bedeutung zu. Neue Informationsbedarfe (z. B. in Form neu anzubindender Jobportale, neuer Berichte für emergierende Berufsbilder oder fallweise auftretender Sonderauswertungen) sind zu identifizieren und durch adäquate Anpassungsentwicklungen des zugrunde liegenden Job Intelligence-Systems zu realisieren.

4 Chancen und Risiken

Mit den skizzierten Job Intelligence-Services wird ein Instrument geschaffen, um Hochschulprozesse mithilfe moderner Analysemethoden aus dem Umfeld des aktuell vieldiskutierten Big Data-Trends [7] zu unterstützen. Durch die automatisierte Analyse von Stellenanzeigen können Qualifikationsanforderungen des Arbeitsmarkts feingranular untersucht werden, was – nach Kenntnisstand der Verfasser – bislang durch kein alternatives Instrumentarium [13] geleistet werden kann. Auf diese Weise können konkrete Anhaltspunkte für die marktorientierte Aus-, Um- oder Neugestaltung von Bildungsangeboten (z.B. Studiengänge oder Angebote für die quartäre Bildung) gewonnen werden, so dass Chancen zur Sicherung der institutionellen Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit eröffnet werden [14]. Insbesondere vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden demographischen Wandels und des hiermit einhergehenden Fachkräftemangels dürfte der Kenntnis der Qualifikationsanforderungen an Absolventen gesteigerte wirtschaftliche Bedeutung zukommen, insbesondere um eine Früherkennung laufender Entwicklungen am Arbeitsmarkt zu gewährleisten. Da die informatorischen Möglichkeiten des vorgestellten Instrumentariums in Theorie und Praxis bislang nur unvollständig erschlossen sind [12], geht aus der explorativen, kreativen Anwendung des Job Intelligence ein hohes Differenzierungspotenzial für das Leitbild der Hochschule der Zukunft [2] hervor.

Eine wesentliche Voraussetzung für die Erschließung dieser Potenziale ist indes in der Akzeptanz des konzipierten Ansatzes zu sehen. Entscheidungen über die Ausgestaltung des Bildungsportfolios sind an Hochschulen traditionell durch Langfristigkeit, Multipersonalität und historisch gewachsene Regularien determiniert. Da in praxi mit Reaktanzen individueller Akteure gegen die Nutzung des vorgestellten Instrumentariums zu rechnen ist, sollte es lediglich als eine potenzielle Informationsquelle zur Entscheidungsunterstützung positioniert werden. Eine weitere Einführungsbarriere ist außerdem in den Kosten für die Einführung (z. B. Softwarelizenzen) und den Betrieb (Personalkosten) der skizzierten Job Intelligence-Services zu sehen. Durch die gezielte Nutzung von Open Source-Lösungen [7] zur Gestaltung der informationstechnischen Infrastruktur können die erforderlichen Sachkosten jedoch gering gehalten werden. Außerdem ist damit zu rechnen, dass insbesondere größere Hochschulen mit einer modernen IT-Infrastruktur und geeigneten Organisationskonzepten (z. B. Cloud Computing) im laufenden Betrieb der Job Intelligence-Services hohe Skaleneffekte (Economies of Scale) realisieren werden.

5 Literatur

[1] Alpar, P.; Alt, R., Bensberg, F.; Grob, H. L.; Weimann, P.; Winter, R.: Anwendungsorientierte Wirtschaftsinformatik – Strategische Planung, Entwicklung und Nutzung von Informationssystemen. 7. Aufl., Springer, Wiesbaden 2014.

[2] BDA (Hrsg.): Die Hochschule der Zukunft – Das Leitbild der Wirtschaft, Berlin 2010. http://www.arbeitgeber.de/www/arbeitgeber.nsf/res/Hochschule_der_Zukunft.pdf/$file/Hochschule_der_Zukunft.pdf (last check 2014-05-20)

[3] Beims, M.: IT-Service Management mit ITIL: ITIL Edition 2011, ISO 20000:2011 und PRINCE2 in der Praxis. 3. Aufl., Carl Hanser Verlag, München, 2012.

[4] Bensberg, F. (2012): Bildungsbedarfsanalyse auf Grundlage von Stellenanzeigen – Potenziale des Text Mining für das Lern-Service-Engineering. In: Mattfeld, DC; Robra-Bissantz, S. (Hrsg): Multikonferenz Wirtschaftsinformatik. Tagungsband der MKWI 2012. Braunschweig. Gito, Berlin, 2012.

[5] Bensberg, F. (2010), BI-Portfoliocontrolling – Konzeption, Methodik und Softwareunterstützung. Nomos, Baden-Baden, 2010.

[6] Bullinger, H-J.; Schreiner, P. : Service Engineering – Ein Rahmenkonzept für die systematische Entwicklung von Dienstleistungen. In: Bullinger, H-J., Scheer, A-W. (Hrsg), Service Engineering. 2. Auflage. Springer, Berlin, 2006.

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[12] Harper, R.: The Collection and Analysis of Job Advertisements: A Review of Research Methodology.In: Library and Information Research, Vol. 36(112), 2012, pp.29-54.

[13] Hörmann, C.: Die Delphi-Methode in der Studiengangsentwicklung. Dissertation, Pädagogische Hochschule Weingarten, 2007.

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[15] Mohr, M.; Wittges, H.; Nicolescu, V.; Krcmar, H.; Schrader, H.: Einbindung und Motivation informeller Multiplikatoren im IT-Training am Beispiel Education Service Providing. In: Krcmar, H., et al. (Ed.): Wirtschaftsinformatik-Ausbildung mit SAP-Software, Multikonferenz Wirtschaftsinformatik. Passau, 2006, pp. 1-22.

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[18] Sailer, M.: Anforderungsprofile und akademischer Arbeitsmarkt: Die Stellenanzeigenanalyse als Methode der empirischen Bildungs- u. Qualifikationsforschung. Waxmann, Münster, 2009.

[19] Schaper, N. et al.: Fachgutachten zur Kompetenzorientierung in Studium und Lehre. Hrsg.: Hochschulrektorenkonferenz (HRK), 2012. http://www.hrk-nexus.de/fileadmin/redaktion/hrk-nexus/07-Downloads/07-02-Publikationen/fachgutachten_kompetenzorientierung.pdf (last check 2014-05-20)

[20] Scholz, C.; Stein, V.: Dynamisches Human-Capital- und Kompetenz-Controlling im innovativen Mittelstand. Rainer Hampp Verlag, München, 2010.

[21] Simon, B.: Neue Geschäftsmodelle für Bildungsangebote von Hochschulen. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft. Special Issue (2), 2006, pp. 105-123.

[22] Simon, B. : Gestaltungstheoretische Überlegungen zu Kompetenzmanagementsystemen. In: Wirtschaftsinformatik, Vol. 52(6), 2010, pp. 327-337.

[23] Simon, D.S.; Jackson, K.: A Closer Look at Information Systems Graduate Preparation and Job Needs: Implications for Higher Education Curriculum Enhancements. In: World Journal of Education, Vol. 3(3), 2013, pp. 52-62.

[24] Strohmeier, S.: Informationssysteme im Personalmanagement: Architektur – Funktionalität – Anwendung. 1. Auflage. Vieweg + Teubner, Wiesbaden, 2008.

[25] Todd, P.A.; McKeen, J.D.; Gallupe, R.B.: The Evolution of IS Job Skills: A Content Analysis of IS Job Advertisements from 1970 to 1990. In: MIS Quarterly, 19(1), 1995, pp. 1-27.

[26] Vogel, D.: Entwicklung einer prototypischen Text Mining Workbench für die Stellenanzeigenanalyse in Job-Portalen. Master-Thesis, Hochschule für Telekommunikation Leipzig, 2012.

Weitere Materialien

Videovortrag und PowerPoint zum Thema „Job Intelligence-Services für Hochschulen“ im Rahmen der CampusSource Tagung am 10.04.2014 an der FernUniversität in Hagen.