1 Hintergrund

Technisch ist es seit einigen Jahren möglich, Videos digital aufzuzeichnen und ins Internet zu stellen. Für die mediendidaktische Anwendung könnte jedoch die „bloße“ Aufzeichnung von Vorträgen und Vorlesungen für das Internet als weniger attraktive Variante angesehen werden, etwa weil es mit einer „Vermittlung“ von Lerninhalten statt mit einer stärker aktivierenden Auseinandersetzung verbunden ist. Für die dennoch positive Aufnahme des Formats lassen sich eine Reihe von Gründen benennen.

Mit „Rapid E-Learning Tools“ ist eine Generation von Werkzeugen verfügbar geworden, die den Produktionsprozess wesentlich vereinfachen. Bislang war die AV-Produktion und deren Einbindung in multimediale Lernanwendungen ein Vorgang, der ganze Teams von Fachleuten diverser Professionen beschäftigte. Wie Beobachtungen zeigten, erwies sich dieser Prozess vielfach als zu aufwändig und zu unflexibel. Mit „Rapid“ E-Learning verlagert sich die Produktion nunmehr zur Lehrperson selbst: Die Werkzeuge sind in die Arbeitsumgebung der Lehrperson integriert, spezielle Entwicklungsumgebungen sind nicht zu erlernen. Der Produktionsprozess wird dabei nur wenig verlängert.

Mindestens ebenso wichtig wie diese Produktionswerkzeuge ist der Erfolg neuer Web 2.0 Plattformen für die Distribution multimedialer Materialien. Es entstehen Orte im Internet, an denen Menschen häufig kostenfrei Materialien einstellen, mit Tags versehen und anderen zur Verfügung stellen (vgl. Kerres, 2006). Durch das Teilen von solchen „user-generated contents“ entstehen neue Formen sozialer Bindungen und Netzwerke und vor allem entsteht eine kritische Masse an Materialien, die diese Orte attraktiv machen.

Schließlich ist zu beobachten, dass die Nutzung dieser Angebote überraschend schnell zunimmt. Podcasts, Video-Vorträge etc. erhalten eine erstaunlich hohe Aufmerksamkeit, die auf verändernde Rezeptionsgewohnheiten hinweisen: Die „User“ wünschen zunehmend audiovisuell präsentierte Inhalte, was sich durch hohe Abrufzahlen entsprechender Angebote belegen lässt (vgl. van Eimeren et al., 2009).

Der beschriebene Trend hängt mit der Verfügbarkeit von Produktionswerkzeugen für „Rapid Authoring“ zusammen, mit dem Erfolg von Distributionsplattformen für Medien im Internet und veränderten Rezeptionsgewohnheiten von Lernenden. Der Workflow der Produktion und Distribution entsprechender Online-Vorlesungen hat sich dabei wesentlich verändert und vereinfacht. Zunehmend wird dieser Prozess überwiegend von den Lehreinheiten beziehungsweise den Lehrpersonen selbst übernommen, die den Workflow von Planung über die Produktion bis hin zur Distribution selbstständig individuell gestalten können. Im Folgenden werden verschiedene Möglichkeiten für die Produktion und Distribution von Online-Vorlesungen analysiert und Handlungsempfehlungen für die Gestaltung eines individuell anpassbaren Workflows gegeben. Dabei wird gezeigt, wie sich die jeweiligen Entscheidungen dieser Möglichkeiten im Workflow bedingen.

2 Produktions- und Distributionsmöglichkeiten

"Super, dass Sie in diesem Semester die Veranstaltung als eine Online-Vorlesung anbieten! Eine Frage hätte ich noch: Können Sie uns das Skript dazu als PDF zur Verfügung stellen?"

(aus einer nicht untypischen E-Mail an den Autor)

Aufgrund der Vielfältigkeit, wie Online-Vorträge und Vorlesungsaufzeichnungen in der Hochschullehre genutzt, produziert und rezipiert werden können, erscheint es als wenig sinnvoll, einen einheitlichen Workflow herauszuarbeiten. Mitunter sind für eine Lehreinheit Fragen der Distribution leitend, etwa wenn die Aufzeichnungen in eine bestimmte Lernumgebung eingestellt werden sollen. Sodann können Fragen der Produktion am Anfang stehen, etwa wenn eine Universität spezielle Räume, Szenarien oder Tools für Online-Vorlesungen anbietet. Schließlich können für eine Lehrperson auch Fragen der Ressourcen den Beginn markieren, etwa wenn zeitliche oder personelle Ressourcen frei werden.

Die Entscheidungen, die im Laufe des Workflows auftreten, können daher anhand von drei Hauptbereichen systematisiert werden:

  • Produktion

  • Distribution

  • Ressourcen

Die Entscheidungen, die für den Einsatz von Online-Vorträgen getroffen werden, bedingen sich jedoch untereinander oder haben Implikationen z.B. für die jeweils anderen Bereiche und mediendidaktische Konsequenzen. Insbesondere bestimmen die Entscheidungen in den Bereichen Produktion und Distribution die erforderlichen Ressourcen. Insofern werden die Optionen in diese beiden Bereiche und ihre Auswirkungen ausführlich dargestellt.

Die Entscheidung für ein bestimmtes „Setting“ ist für einzelne Dozierende, die den Einsatz von Online-Vorlesungen im Lehr- und Lernkontext planen, unumgänglich und hat Implikationen auf den Workflow. Die individuellen Rahmenbedingungen bestimmter „Settings“ sind aber auch für Hochschulen interessant, die das Erstellen von Online-Vorlesungen fördern und durch einen zentralen Service unterstützen wollen. Die aufgezeichneten Wahrnehmungskanäle (Audio und/oder Video) und die Distributionsplattformen (YouTube, Hochschul-Repository etc.) sind dabei häufig die zuerst betrachteten Aspekte für die Planung eines Workflows. Für eine systematische Klassifikation der Varianten können ferner noch die Werkzeuge berücksichtigt werden, mit denen die Inhalte aufbereitet und produziert werden.

2.1 Wahrnehmungskanäle

Es lassen sich reine Audioproduktionen von Videoproduktionen mit Audio unterscheiden. Bei einer reinen Audioproduktion wird nur Ton aufgezeichnet und als Audiodatei zur Verfügung gestellt. Stellt man den Lernenden begleitend Folien zur Verfügung, liegt bereits ein audiovisuelles Medium vor („Screencast“). Bei der Videoproduktion besteht die Möglichkeit, das Bild der referierenden Lehrperson mit einer Präsentation, Folien eines Overhead Projektors oder einer Tafel aus dem Hörsaal abzufilmen.

Eine von Lehrpersonen im Kontext von Online-Vorlesungen häufig gestellte Frage betrifft die Auswahl der Wahrnehmungskanäle für die Aufzeichnung. Aus didaktischer Sicht kann zunächst abgewogen werden, inwiefern ein Bewegtbild der Lehrperson für den Lernerfolg relevant ist. Aus kognitionspsychologischen Überlegungen wäre das Bewegtbild als „überflüssige“ Information einzuordnen, die die kognitive Verarbeitung des/der Lernenden eher behindert als unterstützt. Das Dozierenden-Video kann jedoch auch eine stärkere Präsenz und Authentizität des Vortragenden vermitteln. Manche Foliensätze geben außerdem nicht genügend visuelle Anreize, so dass hier ein Dozierenden-Video motivierend sein kann. Des Weiteren verfolgt man bestimmte Persönlichkeiten und begabte Rethoriker/innen gerne im Video.

Die Frage, ob eine Audio- oder Video-Aufzeichnung der referierenden Person vorgesehen werden soll, gehört daher zu den kontroversen Entscheidungen mit wichtigen Implikationen. Gerade für mobile Endgeräte macht das Dozierenden-Video wenig Sinn, da sich das Bewegtbild nur schlecht darstellen lässt. Produktionen, die eine/n Sprecher/in im Videoformat inkludieren, erfordern ebenso mehr Ressourcen in der Produktion und lassen sich im Übrigen kaum mehr inhaltlich überarbeiten. Die Aufnahmesituation lässt sich nicht identisch wieder herstellen: Ein anderer Haarschnitt der Lehrperson macht bereits die Kontinuität der Produktion zunichte. Für Lernkontexte sind schließlich auch Konzepte denkbar, wonach ein kurzes Dozierenden-Video zur Einleitung und Begrüßung der Teilnehmenden am Anfang eines Kurses gezeigt wird. Für folgende Vorlesungen wird der/die Dozent/in jedoch nur auditiv - parallel zu den Folien - aufgezeichnet.

Bei der Frage nach den erforderlichen Wahrnehmungskanälen einer Online-Vorlesung gibt es seitens der Studierenden jedoch eindeutige Präferenzen. Am wichtigsten werden hierbei die Vorlesungsfolien angesehen, gefolgt von der Audioaufzeichnung (vgl. Hermann et al., 2006). In der Kombination dieser zwei Elemente wird von den Studierenden allerdings noch kein deutlicher Mehrwert gesehen, sondern diese wird als gleichwertig zu Präsenzvorlesungen wahrgenommen. Die Kombination „Folien und Audio“ legt damit die Mindestvoraussetzungen aus Lernendensicht fest.

Als drittwichtigstes Element wird nicht das Bewegtbild des/der Dozierenden genannt, sondern die zu den Vortragsfolien mitgezeichneten Annotationen (Tafelaufzeichnung, Notizen o.ä.). Erst danach folgt das Bild des/der Dozierenden, welches nochmals zwischen Foto oder Video unterschieden werden kann. Die Kombination aus Video, Audio und Folien ist bei den Studierenden die beliebteste Variante (vgl. TU Kaiserslautern, 2007).

2.2 Produktion

In welcher Form Inhalte einer Lehrveranstaltung produziert werden, ist maßgeblich für den späteren Distributionsweg und hat Einfluss auf das didaktische Szenario. Bevor also mit der technischen Realisierung eines Online-Vortrags begonnen wird, sollte neben der (medien-)didaktischen Planung der Veranstaltung auch die Entscheidung getroffen werden, in welchem Setting die Produktion erfolgen soll. Aus dieser Entscheidung lassen sich die notwendigen technischen Rahmenbedingungen ableiten.

Wir haben die verschiedenen Möglichkeiten von Online-Lehrveranstaltungen auf vier Settings eingegrenzt, die üblicherweise umgesetzt werden:

  1. Setting „Live“: Das aus diesem Setting entstehende Produkt ist ein Video, das die komplette Lehrveranstaltung zeigt. Mit einer oder mehreren Kameras können die Lehrperson, die Lehrinhalte (Präsentation, Tafel, Overhead) und die Teilnehmenden gefilmt werden. Hinsichtlich der Tonübertragung muss entschieden werden, ob zusätzliche Saalmikrofone beispielsweise die Rückfragen der Teilnehmenden übertragen, oder ob nur die Stimme der Lehrperson aufgezeichnet wird. Über das Filmen der Präsentation, der Overhead-Projektion oder der Tafel werden Annotationen der Lehrperson direkt mit übertragen. Das trägt zu einem stärkeren „Live-dabei“-Empfinden bei und macht es den Studierenden leichter, dem Vortrag zu folgen.

  2. Setting „quasi-Live“: Das Endprodukt dieses Settings ist wie oben ein Video, allerdings zeigt es nur die Lehrperson. Dieses Video wird im Nachgang in einen Kontext mit der Präsentation gebracht. Die Darstellung erfolgt Bild-in-Bild oder im Wechsel von Video und Präsentation. Der Unterschied zum ersten Setting besteht darin, dass Kamera und Ton ausschließlich auf die Lehrperson ausgerichtet sind. Vorteil hier ist, dass durch den Live-Mitschnitt der vortragenden Person die Authentizität des Vorlesungscharakters gewährt wird und gleichzeitig eine höhere Qualität der Aufnahme und der Darstellung der Präsentation möglich ist.

  3. Setting „Studio mit Dozierendenbild“: Charakteristisch für diese Variante ist, dass die Produktion nicht live im Hörsaal stattfindet, sondern die Aufzeichnung zum Beispiel am Schreibtisch der Lehrperson produziert wird. Nachträglich wird diese mit einer Präsentation zusammengeführt. Im Ergebnis sehen die Rezipierenden entweder Präsentation und Video im Wechsel oder beide Elemente werden Bild-in-Bild gezeigt. Die Lehrperson kann sich in diesem Setting voll auf die Online-Vorlesung konzentrieren und beispielsweise Sprache oder Auswahl und Darstellung der Inhalte verwenden, die die spezifische Situation der Online-Rezeption der Vorlesung berücksichtigen.

  4. Setting „nur Audio“: In diesem Setting wird lediglich eine Audiospur über die Präsentation gelegt (z.B. mit Camtasia). Die Rezipierenden hören nur die Stimme der Lehrperson und sehen die Präsentation. Annotationen des Vortragenden können beispielsweise über den Mauszeiger wahrgenommen werden.

Wie unsere Erfahrungen zeigen, gibt es seitens der Lehrenden vielfach persönliche Ängste und Bedenken gegenüber Vorlesungsaufzeichnungen. Ein Vorbehalt besteht darin, Vorlesungsaufzeichnungen in einer unangemessenen und ausschließenden Weise einer Präsenzveranstaltung gegenüberzustellen. Eine weitere Befürchtung besteht in der Annahme, die Aufzeichnungen müssten professionell erstellten Filmen entsprechen. Live-Aufzeichnungen hingegen beinhalten häufig kleinere Versprecher, die zum einen damit konserviert würden und zum anderen dem professionellen Anspruch nicht genügen. Diese Vorbehalte verdeutlichen, dass es sich wie die folgende Diskussion zeigt, bei Vorlesungsaufzeichnungen um eine Form von Rapid E-Learning handelt, die auch ohne didaktische Neukonzeption von Präsenzveranstaltungen genutzt werden kann.

Auch aus einer persönlichen Perspektive ist für die Lehrperson die Frage nach dem Setting mit Implikationen verbunden. Eine Vorlesungsaufzeichnung zielt darauf ab, die „während einer Präsentation vermittelten Inhalte und Medienströme möglichst vollständig zu konservieren und daraus automatisch ein multimediales Lerndokument zu erstellen, das auch die persönliche Note des Vortragenden enthält“ (Lauer & Trahasch, 2005). Insofern kann die Originalität und Einzigartigkeit der Aufnahmesituation eine entscheidende Rolle spielen. Auch wenn eine Videokamera nur einen geringen Teil einer solchen Situation konservieren kann, ist daher besonders in der Aufnahmesituation die Authentizität des Dozierenden ein wichtiger Faktor. Eine Live-Aufzeichnung vor einem Auditorium ist lebendig und wenig steuerbar. Demgegenüber ist eine vorproduzierte Videoaufzeichnung ohne Auditorium zwar ein Grenzfall der Vorlesungsaufzeichnung, gestattet aber ein höheres Maß an Steuerbarkeit als eine Live-Aufzeichnung.

Ein wichtiger Aspekt der Produktion ist aus Studierendensicht die Strukturierung des Videomitschnitts. Das Einbinden von Sprungmarken oder einer Gliederung begünstigt es, dass der Online-Vortrag als ein 90-minütiges Video nicht am Stück sondern auch abschnittsweise rezipiert werden kann. Es sind eher Ausnahmen, in denen sich Lernende den Mitschnitt einer kompletten Vorlesung anschauen. Stattdessen werden häufig zur Vertiefung der Lerninhalte oder Wiederholung im eigenen Lerntempo Teilsequenzen aufgerufen, die mit Hilfe einer übersichtlichen Struktur gezielt angesteuert werden können (vgl. TU Kaiserslautern, 2007).

Die Befürchtung der Dozierenden, Online-Vorlesungen könnten die Präsenzvorlesungen überflüssig machen, erscheint aus der Perspektive der Studierenden als ungerechtfertigt (vgl. Hermann et.al., 2006; Universität Hamburg, 2008; TU Kaiserslautern, 2007). Aufgezeichnete Vorlesungen werden demnach weniger als Ersatz zu den Präsenzvorlesungen angesehen. Vielmehr erkennen Studierende in Online-Vorlesungen eine Ergänzung zu den Präsenzterminen, die ihnen höhere Flexibilität und damit einen Mehrwert bieten. In den meisten Fällen geben die in unterschiedlichen Studien befragten Studierenden an, dass sie Vorlesungsmitschnitte im Rahmen der Prüfungsvorbereitung nutzen, da Prüfungen oft mit zeitlichem Abstand zur Präsenzvorlesung durchgeführt werden (vgl. TU Kaiserslautern, 2007; Universität Hamburg, 2008). Darüber hinaus greifen Studierende zur individuellen Vor- oder Nachbereitung auf die Mitschnitte zurück. Die Mitschnitte bieten die Möglichkeit zur Wiederholung bei Verständnisschwierigkeiten oder zur Bearbeitung von Übungsaufgaben (vgl. Hermann et al., 2006).

Die meisten Studierenden sehen damit in den über das Internet verfügbaren Mitschnitten eine effektive Ergänzung zu den Präsenzvorlesungen und nehmen größtenteils auch weiterhin an diesen regelmäßig teil. Sie begrüßen die damit einhergehenden Anpassungsmöglichkeiten an den eigenen Lernstil und das individuelle Lerntempo, ebenso wie die Möglichkeit, im Falle eines Fehltermins Inhalte selbstständig nacharbeiten zu können

2.3 Distribution

Die Produktion mag für Dozierende, nachdem sie sich für den Einsatz von Online-Vorlesungen entschieden haben, im Workflow das unmittelbar folgende Ereignis sein. Dennoch ist es im Vorfeld wichtig, bereits an das Endprodukt zu denken und ggf. die Konzeption vom Endpunkt her zu planen. Mit welchen Medien (Audio/Video) soll welche Zielgruppe (offen/definiert) angesprochen werden? Was ist letztlich die Zielplattform, die genutzt werden soll? Dabei stellt sich auch die Frage des Endgerätes und des Nutzungsortes. Wo und mit welchen Geräten werden diese Screen-, Web- oder Videocasts rezipiert: unterwegs mit mobilen Geräten oder am Schreibtisch mit einem PC? Bei der Auswahl des Distributionsweges ist zu beachten, dass Inhalte, die einen visuellen Zugang erfordern, bei der Nutzung mobiler Endgeräte ohne Videofunktion verloren gehen. Wenn das zu befürchten ist, sollte der Vortrag entsprechend einem reinen Audioverständnis hin angepasst werden.

Ferner kann die Übertragung der Daten über verschiedene Wege erfolgen. Möglich ist zum Beispiel ein Live-Streaming mit anschließender Downloadmöglichkeit. Bei nicht live produzierten Videovorlesungen könnten die fertigen Videos über eine Lernplattform oder Homepage in unterschiedlichen Formaten (z.B. MP3 für Audiodateien oder Flash für Videodateien) zur Verfügung gestellt werden.

Für Dozierende verbindet sich im Rahmen der Distribution von Vorlesungsaufzeichnungen im Internet diese didaktische Möglichkeit mit persönlichen Aspekten. So besteht ihr Reiz auch in einer lebendigen Aufnahmesituation und der persönlichen Note der Dozierenden. Je nach Distributionsform haben Vorlesungsaufzeichnungen auch Auswirkungen auf die Profilbildung einer Person im Internet. Ein authentischer und der eigenen Person entsprechender Einsatz dieser Methode ist somit zu bevorzugen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang jedoch auch die Offenheit der Distributionsform. Ausreichend für die Durchführung einer Veranstaltung ist es, den Zugang zur Videodatei restriktiv zu handhaben, so dass nur die Teilnehmenden einer Veranstaltung Zugriff darauf haben. Zu bedenken ist bei dieser Form der Veröffentlichung jedoch, dass die Inhalte im Web 2.0 damit nur beschränkt zugänglich sind. Erst die Möglichkeit, das Video in Blogs und Wikis öffentlich zu verlinken oder einzubetten, ermöglicht häufig dessen Integration in andere Lernszenarien und Lernprozesse.

Wie bereits erwähnt, gibt es verschiedene Distributionsmöglichkeiten für Vorlesungsmitschnitte. Bisher haben sich vor allem der Videostream sowie der Download etabliert. Ein Trend seitens der Studierenden hinsichtlich ihrer Beliebtheit scheint dabei noch nicht sichtbar: Während die befragten Studierenden einer Studie der Universität Hamburg eher das Downloadangebot bevorzugen (Universität Hamburg, 2008), stellen andere Hochschulen ihre Mitschnitte häufiger als Stream (2007: 100%, 2008: 76%) dann als Download (2007: 60%, 2008: 55%) zur Verfügung (vgl. Breuer & Breitner, 2008). Die Nutzung anderer Dateiformate, z.B. für die Nutzung mit mobilen Endgeräten, scheint bisher eher eine geringe Rolle zu spielen und kann daher vernachlässigt werden (vgl. Schulze et.al., 2007).

2.4 Bereitstellen von Online-Vorlesungen im Rahmen universitärer Lehre

Im Bereich der universitären Lehre stellen sich die Fragen, wie Online-Vorlesungen zum einen für Studierende bereitgestellt und zum anderen wie sie curricular eingebunden werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Online-Vorlesungen offen auf einer Plattform (Youtube, iTunesU) bereitzustellen. Der Vorteil dieser „open educational ressources“ liegt darin, dass Studierende jederzeit darauf zugreifen können. Hier stellt sich die Frage, ob Lehrende ihre Veranstaltung derart offen oder nur in einer geschlossenen Lernumgebung ihren „eigenen“ Studierenden zur Verfügung stellen wollen. Viele Universitäten unterstützen die Bereitstellung von Online-Vorlesungen, indem Sie eigene und zentrale Repositories zur Verfügung stellen, auf denen Online-Vorlesungen den Studierenden zugänglich gemacht werden können. Hier erhalten berechtigte Studierende einen Zugriff und können sich die Dateien auf ihren PC oder ihr mobiles Endgerät herunterladen. Vorteilhaft erweisen sich Streaming-Server vor allem dann, wenn ein Learning Management System eingesetzt wird, in das die Online-Vorlesung eingebunden werden kann. Wie die Verbreitung („Sharing“) von Online-Vorlesungen im Rahmen hochschulübergreifender Lehre durchgeführt wird, wird im Folgenden am Beispiel des E-Learning-Projekts „RuhrCampusOnline“ erläutert.

Das Projekt RuhrCampusOnline verfolgt das Ziel, in der 2007 gegründeten Universitätsallianz Metropole Ruhr (UAMR) die organisatorischen und technischen Rahmenbedingungen für hochschulübergreifende Lehre zu schaffen. Die UAMR als strategische Allianz der Universitäten Bochum, Dortmund und Duisburg-Essen umfasst ca. 89.000 Studierende und 1.250 Professuren. In ausgewählten Fächern etabliert RuhrCampusOnline Lehrveranstaltungen, die von Studierenden mindestens einer weiteren Allianzuniversität besucht werden können und deren Leistungsnachweise anerkannt und kreditiert sind. Der Einsatz von Online-Vorlesungen zählt in diesem Vorhaben zu den wichtigen Werkzeugen, um Veranstaltungen hochschulübergreifend zu öffnen. Im Sinne des Blended Learning können Veranstaltungen so weitgehend ortsunabhängig besucht werden.

Die UAMR-Universitäten verfügen über mehrere Werkzeuge, die die Produktion und Distribution von Vorlesungsaufzeichnungen unterstützen können, jedoch über keine einheitliche Plattform. Dabei zeigt die Variationsbreite der Werkzeuge ebenso die Heterogenität des Themas. Folgende Varianten kommen hauptsächlich zum Einsatz und unterstützen unterschiedliche Formen des Workflows:

  • Adobe Connect Server: Über einen Adobe Connect Server können nicht nur Videokonferenzen, sondern auch Vorlesungsaufzeichnungen durchgeführt und bereitgestellt werden. Das Produkt ist über den Connect Server abrufbar und kann über einen Link in ein Learning Management System oder eine Webseite eingebunden werden. Besonders Aufzeichnungen von Live-Meetings können mitunter besonders einfach über den Webbrowser und eine Webcam erstellt werden und Studierende können gleichzeitig über das Internet an dieser Aufzeichnung teilnehmen.

  • DFN Videokonferenz: Auch in dieser Variante werden Verfahren verwendet, die originär für Videokonferenzen eingesetzt werden. Als Voraussetzung für den Einsatz des DFN Videokonferenzdienst ist der Hörsaal mit einer speziellen Technik ausgestattet, die Videokonferenzen im H.323-Standard ermöglichen. Über den Dienst des DFN wird eine Videokonferenz eingerichtet, zu der die Lehrperson und ebenso der Desktop des Präsentationsrechners hinzugeschaltet werden. Beide Signalquellen werden vom DFN-Server aufgezeichnet und können im Anschluss an die Vorlesung in gängige Videoformate konvertiert und als Videodatei heruntergeladen werden. Die Bereitstellung erfolgt über einen Fileserver, wie etwa den Dokumenten- und Publikationsserver DuEPublico der Universität Duisburg-Essen. Die Videodateien können aus einem Learning Management System heraus verlinkt werden, für das Betrachten dieser Dateien ist jedoch meist ein eigenes Wiedergabeprogramm erforderlich. Diese Variante ist besonders aufwändig und ohne Unterstützung durch zentrale Serviceleistungen der Universität kaum realisierbar, bietet jedoch eine hohe Aufnahmequalität. Die Vorlesung kann zeitgleich an unterschiedlichen Orten in mehreren (speziell für diese Technik präparierten) Hörsälen stattfinden und sodann als Aufzeichnung zur Verfügung gestellt werden.

  • Streaming Server: Eine weitere Variante sieht die Bereitstellung und Aufzeichnung einer Vorlesung über einen Streaming Server vor. Die Lehrperson wird mit einer oder mehreren Kameras aufgezeichnet sowie zusätzlich das Bildschirmsignal eines Rechners, auf dem eine Präsentation abläuft. Alle Signale werden an einen Streaming Server weitergeleitet und verteilt, so dass Studierende die Veranstaltung live mitverfolgen können. Gleichzeitig wird die Veranstaltung aufgezeichnet und auf einem Fileserver bereitgestellt. Diese Variante erfordert ebenso eine Unterstützung der Lehrperson durch eine speziell geschulte Hilfskraft und einer technischen Ausstattung, ist jedoch insgesamt einfacher zu realisieren als die Variante einer DFN-Konferenz.

  • Dokumentenserver: Im Unterschied zu den vorhergehenden Varianten, die alle ein Live-Setting voraussetzen, kann die Produktion der Online-Vorlesung mit einem Autoren-Tool auch im Vorfeld stattfinden. Zum Einsatz kommen in der UAMR die Softwareprodukte Adobe Presenter und Camtasia der Firma TechSmith. Nach einer Einführung in die Benutzung dieser Software können die Anbieter der Veranstaltung die Produktion weitgehend selbstständig umsetzen. Die Distribution erfolgt über einen Dokumentenserver, der die Aufzeichnung bereitstellt. Sie wird entweder offen auf einer Webseite eingebunden, oder in einem passwortgeschützten Lernraum eines Learning Manangement Systems. Diese Variante ist besonders einfach und flexibel in der Produktion.

3 Ausblick

Die Entscheidung für eine Online-Vorlesung hängt von vielen Faktoren ab, wobei die technischen Aspekte zunehmend weniger relevant sind. Ist eine Veranstaltung bereits konzipiert und erprobt, sind wenig konzeptionelle Veränderungen notwendig, um eine Vorlesungsaufzeichnung anzufertigen. Die Aufzeichnung wird den Studierenden als zusätzliches Lernmaterial zur Verfügung gestellt und die ursprüngliche Veranstaltungskonzeption bleibt erhalten. Vorlesungsaufzeichnungen individualisieren jedoch den Lernprozess und ermöglichen ein erhöhtes Maß an selbstgesteuertem Lernen. Diese Lernformen können gezielter in der didaktischen Konzeption berücksichtigt werden, indem etwa Selbstlernphasen vorgesehen werden und die Veranstaltung zu einer Blended Learning Veranstaltung umkonzipiert wird. Eine fertig produzierte Vorlesungsaufzeichnung bietet für eine solche konzeptionelle Veränderung viele Möglichkeiten, da sie für den/die Dozierende/n den Freiraum schafft, anstatt dem Lehren das Lernen zu fokussieren. Entsprechend kann das Betreuungsangebot erhöht werden.

Literatur

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