Einleitung

Die gelungene Verknüpfung von Forschung und Lehre ist ein zentrales Anliegen des humboldtschen Bildungsideals. Im universitären Alltag stellen beide Aufgaben jedoch häufig schwer überbrückbare Gegensätze dar. Ein besonderes Engagement in der Lehre lässt wenig Zeit für hochwertige Forschung und umgekehrt. Sinnvolle Verbindungsmöglichkeiten, die effizient beide Gebiete verknüpfen und Synergien schaffen, sind rar und nicht immer offensichtlich – digitale Medien kamen hierbei bisher nur selten zum Einsatz. Die vorliegende Arbeit stellt am Beispiel einer Webseite zum Thema „Künstliche neuronale Netze“ dar, wie eine solche Verknüpfung im E-Learning-Bereich umgesetzt werden kann. Unsere Erfahrungen zeigen die vielfältigen Einsatzszenarien einer solchen Webseite und liefern Ideen für ähnliche Projekte.

Die Webseite neuronalesnetz.de bietet Internetnutzern eine Einführung in die Grundlagen, Anwendungen und Datenauswertung künstlicher neuronaler Netze und basiert auf einer zuvor angefertigten CD-Version. Die umfangreichere Online-Version wurde in den Jahren 2005 bis 2006 erstellt und umfasst mittlerweile 63 einzelne, illustrierte und mit Marginalien versehene Hypertextseiten. Der Nutzer kann die einzelnen Seiten nacheinander aufrufen oder per Inhaltsverzeichnis, Sachverzeichnis sowie mit der integrierten Suchfunktion gezielt ansurfen. Weiterführende Links zum Thema, interaktive Visualisierungen und eine ausdruckbare PDF-Version der gesamten Webseite komplettieren das multimediale Angebot. Die Internetseite wurde im Jahr 2009 von über 24.000 Besuchern aufgerufen und erzielt zum relevanten Suchbegriff „Neuronale Netze“ aktuell (Stand: Frühjahr 2010) den ersten bis dritten Platz auf gängigen Suchmaschinen wie etwa Google.

In den nachfolgenden beiden Kapiteln wird dargestellt, wie die erstellte Webseite in der Lehre und E-Learning-Forschung zum Einsatz kam. Anschließend werden praktische Aspekte zur Umsetzung eines solchen Angebots beleuchtet. Das Fazit fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und bietet einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung des Projekts.


Abbildung 1: Beispielhafte Darstellung einer einzelnen Webseite aus neuronalesnetz.de .

Blended learning

Blended learning beschreibt die didaktisch gelungene Verknüpfung von traditionellen Lehrveranstaltungen und E-Learning-Materialien. Nachfolgend wird für das vorliegende Fallbeispiel beschrieben, wie diese Verbindung in Form von interaktiven Begleitmaterialien und der aktiven Beteiligung von Lernenden realisiert wurde oder zukünftig realisiert werden soll, welche bisherigen Erfahrungen gewonnen wurden und welche Stärken und Schwächen wir hinsichtlich dieses Ansatzes vermuten.

Nutzung der Webseite als Begleitmaterial

Die Webseite neuronalesnetz.de wurde in den Jahren 2006 bis 2009 als Begleitmaterial zu insgesamt sechs Lehrveranstaltungen im Fach Psychologie an den Universitäten Trier und Würzburg eingesetzt. Die Internetseite diente Studierenden zur Vor- und Nachbereitung von Seminaren, zur eigenständigen Wiederholung interaktiver Visualisierungen, die in den Lehrveranstaltungen vorgestellt wurden sowie zur gezielten Vorbereitung auf eine Methodenprüfung. Des Weiteren enthalten die Internetseiten ein Tutorial zu MemBrain, einem neuronale Netze Simulator, der in den Lehrveranstaltungen zum Einsatz kam. Zudem kann die Webseite mit insgesamt 58 weiterführenden Links als Ausgangspunkt zur Suche nach weiterführenden Informationen zum Thema genutzt werden. Seit April 2008 ergänzt ein im Huber Verlag erschienenes Lehrbuch (Rey & Wender, 2008) das Lernangebot.

Insgesamt wurde die Webseite von Studierenden sehr positiv angenommen und intensiv genutzt, was die einzelnen Lehrevaluationen [W001] belegen. Hervorgehoben wurden hierbei die übersichtliche Gestaltung und Gliederung, die enthaltenen interaktiven Visualisierungen und weiterführenden Querverweise sowie das ausdruckbare PDF-Dokument der gesamten Webseite. Mündliche Rückmeldungen der Studierenden deuten darauf hin, dass Textinhalte mehrheitlich in ausgedruckter Form gelesen wurden und nicht am Bildschirm. Diese Einschätzung deckt sich mit Befunden aus der Literatur (Noyes & Garland, 2006), nach denen Bücher im Vergleich zu Computern unter anderem aufgrund der Lesbarkeit und Portabilität, dem Markieren und Kommentieren von Textstellen sowie ästhetischen Gründen beim Lernen präferiert werden.

Vorteilhaft an der Bereitstellung einer eigenen Webseite zu Lehrveranstaltungen ist das verbesserte Angebot an Lernmaterialien für die Studierenden. Im Vergleich zu einem herkömmlichen Skript enthält die Internetseite auch interaktive Visualisierungen. Im Gegensatz zu elektronischen Lernmaterialien auf einer passwortgeschützten Lernplattform erreicht sie darüber hinaus eine größere Anzahl an interessierten Lernern. Neben den Vorteilen einer veranstaltungsbegleitenden Internetseite ist der große Aufwand zur Erstellung der Webseite zu beachten. Auch die Übertragung und Anpassung der Text- und Bildinhalte in andere Präsentationsformate (z.B. Erstellung von Stichpunkten in PowerPoint-Folien für das Seminar auf Basis der Webseiteninhalte) hat sich als mühsam und zeitaufwendig herausgestellt.

Aktive Beteiligung der Lernenden an der Webseite

Die Webseite wurde bisher primär als Begleitmaterial zu Lehrveranstaltungen eingesetzt. Darüber hinaus könnten Studierenden sich jedoch auch aktiv an der Internetseite beteiligen. Dies könnte von einem einfachen Feedback bis zum eigenständigen Erstellen von Inhalten reichen (vgl. z.B. Lin & Kelsey, 2009). Bisher erfolgte die Beteilung der Studierenden in Form von formativen und summativen Evaluationen der Webseite, die zur verbesserten Aufbereitung der Inhalte der Seite beitrugen. Zusätzlich konnte in den Jahren 2007 und 2008 mit zwei Studierenden eine gründliche Überarbeitung und Aktualisierung der Internetseiten durchgeführt werden. Zukünftig sollen Studierende auch an der Erstellung von Inhalten beteiligt werden. Denkbar ist beispielsweise die Generierung von ergänzenden interaktiven Visualisierungen wie etwa Computersimulationen (z.B. de Jong, 2006).

Ein weiter reichender Ansatz zur aktiven Beteiligung der Studierenden wurde bereits von einem der Autoren des Artikels in einem Methodenseminar im Hauptstudium zum Thema „Neuere multivariate Verfahren“ verfolgt. Dort erstellten Studierende mit dem Dozenten ein traditionelles Skript der Lehrveranstaltung. Die Rolle des Dozenten bestand vor allem darin, die Zusammenarbeit zu moderieren, Texte zu integrieren und die Qualitätssicherung vorzunehmen. Dieser Ansatz ließe sich auf die initiale Erstellung einer lehrbegleitenden E-Learning-Webseite übertragen. Kollaborative Tätigkeiten können insbesondere bei komplexen Tätigkeiten im Hinblick auf die kognitive Belastung von Nutzen sein (Kirschner, Paas, & Kirschner, 2009). Dennoch sollte bei der Umsetzung bereits im Vorfeld darauf geachtet werden, Lernende durch Bereitstellung entsprechender Unterstützungsmaßnahmen im Lernprozess zu begleiten und zur Vermeidung der kognitiven Überlastung ausreichend anzuleiten (Lin & Kelsey, 2009). Auch motivationale, affektive und metakognitive Aspekte sollten dabei einbezogen werden (vgl. Huk & Ludwigs, 2009; Moreno & Mayer, 2007). Die Protokollierung und Auswertung von Verhaltensweisen im Lernprozess (z.B. Hmelo-Silver, Chernobilsky, & Jordan, 2008) könnte dabei eine Möglichkeit zur gelungenen Verknüpfung zwischen Lehre und E-Learning-Forschung darstellen.

E-Learning-Forschung

E Learning-Forschung umfasst sämtliche Forschungsprozesse zum Lehren und Lernen mittels elektronischer Medien. In diesem Kapitel wird für das Fallbeispiel dargestellt, wie mit Hilfe der erstellten Webseite Datenerhebungen im Rahmen empirischer Studien durchgeführt werden können und wie das Surfverhalten der Benutzer protokolliert und analysiert werden kann. Gewonnene Erfahrungen werden geschildert sowie Stärken und Schwächen aufgeführt.

Datenerhebung im Rahmen empirischer Studien

Mit Hilfe einer gut besuchten Webseite lassen sich Online-Untersuchungen durchführen, die Datenerhebungen im Rahmen traditioneller Laborstudien ergänzen oder ersetzen können. Im Rahmen einer Doktorarbeit (Rey, 2008) zur lernförderlichen Gestaltung interaktiver, dynamischer Visualisierungen wurde ein solches Online-Experiment als Ergänzung zu einem Laborexperiment vorgenommen. Die Versuchsteilnehmer sollten dabei einen illustrierten Lerntext von etwa 900 Wörtern über die Grundlagen neuronaler Netze lesen und im Anschluss ein in Java programmiertes, interaktives Diagramm zur Vertiefung der Lerninhalte verwenden. Abschließend wurden die Probanden um die Beantwortung von Behaltens- und Verständnisfragen sowie Fragen zur subjektiven Einschätzung zu dem Diagramm gebeten. Die Untersuchung fand im Zeitraum vom 21.6.2006 bis zum 7.2.2007 statt und wurde auf der Startseite sowie einer Unterseite beworben und verlinkt. Insgesamt 212 Versuchsteilnehmer, die randomisiert auf vier verschiedene Untersuchungsbedingungen aufgeteilt wurden, nahmen an der Studie teil. Nach Entfernung der Probanden, die die Studie vorzeitig abbrachen, verblieben 182 Teilnehmer.

Die Online-Untersuchung stützte partiell die Ergebnisse aus einem Laborexperiment, welches an der Universität Trier durchgeführt wurde (Rey, 2008). Dabei konnten zwei wesentliche Unterschiede zwischen dem Laborexperiment und dem Feldexperiment festgestellt werden. Erstens unterschied sich die Stichprobenzusammensetzung stark. In der durchgeführten Laborstudie betrug der Frauenanteil 64.2%, wobei vornehmlich jüngere (Durchschnittsalter: 22 Jahre; Spanne: 18-33 Jahre) Psychologiestudierende der ersten Semester ohne Vorkenntnisse über neuronale Netze an der Untersuchung partizipierten. Im Feldexperiment lag der Frauenanteil lediglich bei 22.5%, das Durchschnittsalter bei 27.5 Jahren (16-85 Jahre). Zweitens erzielten Online-Teilnehmer geringfügig bessere Lernleistungen als Laborteilnehmer, was auf unterschiedliche Ursachen (z.B. unterschiedliche Motivation oder Vorerfahrung der Probanden) zurückgeführt werden könnte. Zukünftige Studien sollten Unterschiede in der Stichprobenzusammensetzung bei der Übertragung einer Laborstudie in eine Online-Untersuchung frühzeitig bedenken, um methodische Probleme wie etwa Deckeneffekte beispielsweise durch Anpassung des Schwierigkeitsgrades der Lernaufgaben zu verhindern.

Während laborexperimentelle Studien primär den Vorteil besitzen, intern valide Ergebnisse zu generieren (d.h. Veränderungen der abhängigen Variablen können eindeutig auf Veränderungen der unabhängigen Variablen zurückgeführt werden), verfügen Feldexperimente wie Online-Untersuchungen oft über eine höhere externe Validität (d.h. die gefundenen Ergebnisse lassen sich auf andere Kontexte verallgemeinern). Zudem ist meist eine schnellere und kostengünstigere Datenerhebung möglich (vgl. Batinic, 2004), sofern die Studie hinreichend beworben werden kann. Die Untersuchungsdurchführung kann von den Probanden zeitlich und örtlich flexibel vorgenommen werden. Ein Versuchsleiter ist dabei nicht mehr erforderlich (Sarris & Reiß, 2005). Nachteilig ist die Gefahr der Mehrfachteilnahme von Probanden (Beller, 2008), die durch verschiedene Maßnahmen eingeschränkt, jedoch nur schwierig völlig unterbunden werden kann (Rey, 2009). Weitere Probleme betreffen die problematische Vergleichbarkeit der Ergebnisse (z.B. Durchführung zu unterschiedlichen Zeiten und Orten mit unterschiedlicher Hardwareausstattung) sowie die höhere Abbrecherquote (vgl. Batinic, 2004).

Analyse des Nutzerverhaltens

Statt einer Versuchsdurchführung kann auch das Besucherverhalten der Webseite analysiert werden. Die Möglichkeiten einer solchen Analyse gehen inzwischen deutlich über einfache Zugriffszähler hinaus: So lässt sich etwa rekonstruieren, wie einzelne Benutzer durch die Webseite navigieren oder aus welchen Regionen der Welt die Seite aufgerufen wird. Ein Werkzeug zur Erfassung und Auswertung solcher Nutzungsdaten ist Google Analytics, welches auf der Webseite neuronalesnetz.de zum Einsatz kommt. Um den Nutzwert solcher Daten zu belegen, skizzieren wir im Folgenden ausgewählte Analysen der Nutzungsdaten für das Kalenderjahr 2009.

Einen ersten Überblick bieten einfache Kennzahlen. Auf die Webseite neuronalesnetz.de wurde im Monat durchschnittlich 3374 Mal zugegriffen. Eliminiert man mehrfache Zugriffe gleicher Benutzer verbleiben durchschnittlich 2001 verschiedene Besucher pro Monat. Ein Besuch beträgt im Schnitt 8:49 Minuten und führt zu 6.12 Unterseitenaufrufen. Über die Hälfte der Besucher (53.9%) ist von einer Suchmaschine auf die Webseite verwiesen worden, etwa ein weiteres Viertel (25.9%) kam per Link von anderen Seiten, die restlichen Benutzer (20.2%) sind direkt auf die Seite gelangt (beispielsweise durch manuelle Eingabe der Adresse oder Benutzung eines Lesezeichens). Unter den Suchmaschinen hat Google mit 98.7% eine monopolartige Bedeutung, unter den verweisenden Seiten spielt Wikipedia mit 54.2% die wichtigste Rolle.

Die aufgezeichneten Nutzerdaten von Google Analytics können auch zur Zielgruppenbestimmung und -optimierung genutzt werden. So zeigt sich etwa, dass die meisten Benutzer als Browser Mozilla Firefox (61.5% der Zugriffe), den Internet Explorer (22.8%) oder Opera (7.3%) verwenden. Eine Optimierung der Webseitenansicht sollte sich daher vor allem auf diese drei Webbrowser konzentrieren. Ähnliche Auswertungen können für die Unterstützung von Java (88.7%) oder Adobe Flash (95.7%) vorgenommen werden. Die beiden letztgenannten Prozentwerte sprechen etwa dafür, die in Java erstellten interaktiven Visualisierungen der Webseite durch interaktive Flash-Animationen zu ersetzen oder aber beides parallel anzubieten (1.7% aller Webseitenbesucher besitzen weder eine Java noch eine Flash Unterstützung).

Die Nutzerdaten können zur Qualitätskontrolle der Inhalte und Funktionen der Webseite herangezogen werden. Vergleicht man beispielsweise Seiten mit Sonderfunktionen wie Suche, Literaturverzeichnis, Impressum und Index mit einer durchschnittlichen Inhaltsseite (3625 Abrufe) spielen diese Funktionen mit jeweils unter 900 Abrufen eine untergeordnete Rolle (vgl. hierzu Bartholomé, Stahl, Pieschl, & Bromme, 2006). Die weiterführenden Links werden mit durchschnittlich 3356 Abrufen dagegen häufiger aufgerufen. Es lassen sich zudem Unterseiten ermitteln, von denen aus viele Benutzer die Seite verlassen. So fällt beispielsweise auf, dass nach dem Abruf der Seite zum Thema „Simple Recurrent Networks“ ( www.neuronalesnetz.de/rekurrente1.html ) ungewöhnlich viele Benutzer die gesamte Webseite verlassen (15.6% der Seitenaufrufer). Dies deutet auf Qualitätsmängel der betreffenden Seite hin – hier möglicherweise ein zu langer und komplexer Text.

Google Analytics bietet mittlerweile die Option, Webseitenzugriffe mit Mobilgeräten gesondert zu analysieren. Für die Webseite neuronalesnetz.de wurde für den Zeitraum November 2009 bis Februar 2010 ein Vergleich des Benutzerverhaltens mit Mobilgeräten zum gesamten Benutzerverhalten vorgenommen (Tabelle 1). Erkennbar ist, dass der Mobilzugriff auf die Webseite derzeit noch relativ selten erfolgt (0.4% der gesamten Zugriffe), das Nutzungsverhalten beider Gruppen sich aber nur geringfügig unterscheidet. Die meisten mobilen Zugriffe erfolgen dabei vom Apple iPhone (40 der 60 Zugriffe), gefolgt vom iPod (15 Zugriffe). Andere Systeme wie Google Android, Windows, SymbianOS spielen derzeit eine untergeordnete Rolle (insgesamt 5 Aufrufe).

Mit Mobilgeräten

Gesamt

Zugriffe

60

14646

Aufgerufene Seiten pro Zugriff

4,48

5,92

Mittlere Besuchszeit in Minuten

5:38

7:35

Absprungrate nach der ersten Webseite

50,0 %

51,8 %

Anteil an erstmaligen Zugriffen

61,7 %

55,3 %

Tabelle 1: Vergleich von Webseitenzugriffen mit Mobilgeräten zu sämtlichen Zugriffen.


In den kommenden Jahren ist von einer stärkeren mobilen Nutzung des Internets auszugehen. Eine naheliegende mobile Nutzung wäre etwa, das Angebot als Nachschlagewerk über eine einfach zu bedienende Such- und Navigationsfunktion zu verwenden, beispielsweise während einer Vorlesung oder einer Diskussionsrunde. Die Verwendung als mobiles Lernwerkzeug wäre ebenso denkbar, etwa indem während einer Zugfahrt Lernfragen beantwortet werden. Darüber hinaus deutet die zunehmende Verbreitung von E-Books auf die wachsende Akzeptanz hin, auch längere Texte auf mobilen Geräten zu lesen.

Diesen mobilen Anwendungsfällen kann auf verschiedene Weise Rechnung getragen werden. Bereits jetzt sind alle web-basierten E-Learning-Angebote über einen mobilen Web-browser auch mobil verfügbar, wobei moderne Smartphones in der Lage sind, normale html-Seiten in akzeptabler Form darzustellen. Adobe Flash und Java Applets werden dabei in der Regel jedoch noch nicht unterstützt. Eine Anpassung des Layouts der Webseite könnte die kleineren Bildschirme der mobilen Geräte berücksichtigen (derzeit dominiert eine Auflösung von 320x396). Eine E-Book-Version lässt sich gegebenenfalls automatisch als Datei im verbreiteten EPUB-Standard (Electronic PUBlication) erzeugen. Änderungen, die über das Layout hinaus auch inhaltliche Aspekte betreffen, erlauben einerseits eine weitreichendere Anpassung an mobile Nutzungsszenarien, bergen andererseits aber auch das Problem, dass zukünftig zwei Varianten des Angebots gepflegt werden müssen. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang beispielsweise die Entwicklung einer mobilen Applikation ("App") als ergänzendes Lernwerkzeug. Insgesamt halten wir eine Optimierung des Layouts sowie die Publikation einer E-Book-Version als Verbesserung unseres derzeitigen Angebots für besonders sinnvoll.

Des Weiteren lassen sich mit Hilfe der Nutzungsdaten Forschungsergebnisse evaluieren, wie beispielsweise die Lernförderlichkeit von Hyperlinks. Während Befürworter einen positiven Effekt durch besser vernetztes Wissen annehmen (Lawless & Brown, 1997), führen Skeptiker eine unnötig hohe kognitive Belastung des Lerners auf (DeStefano & LeFevre, 2007). Die Webseite neuronalesnetz.de bietet sowohl eine hierarchisch-sequentielle Struktur als auch ergänzende Hyperlinks. Auf einer gewöhnlichen Inhaltsseite der Webseite benutzen 63% der Besucher einen Link auf die sequentiell nächste Seite und 6% einen auf die sequentiell vorherige Seite (diese Analysen beziehen sich ausschließlich auf die 14 Webseiten des Kapitels „Netztypen“). Dagegen ist die Benutzung von seiteninternen Querverweisen, die sich eindeutig Hyperlinks im Text zuordnen lassen (d.h. die nicht auch im sequentiell-hierarchischen Menü enthalten sind), mit durchschnittlich 0.8% weitaus geringer ausgeprägt. Diese seltene Benutzung textinterner Hyperlinks könnte tendenziell gegen einen besonderen Nutzwert dieser Hyperlinks sprechen. Zu beachten ist allerdings, dass der Nutzen eines Hyperlinks nur schwer an der Nutzungshäufigkeit festzumachen ist. Auch ein selten benutzter Link kann für die wenigen Personen, die diesen verwendet haben, äußerst nützlich sein. Dennoch zeigt dieses Beispiel, dass schon mit einfachen Analysen der Nutzungsdaten forschungsrelevante Fragestellungen zu untersuchen sind.

Praktische Aspekte

Dieser Abschnitt soll praktische und technische Aspekte beleuchten, die zur Realisierung einer solchen E-Learning-Webseite besonders wichtig sind.

Grundlage zur Erzeugung der Webseite neuronalesnetz.de ist ein zentrales Dokument, das alle Textinhalte der Webseite in einem HTML-ähnlichen XML-Format enthält. Aus diesem wird nach inhaltlichen Änderungen einmalig automatisiert die Webseite generiert. Eine Versionsverwaltung (hier wurde Subversion verwendet) erlaubt das kollaborative Arbeiten an Inhalten. Sie speichert jede Version der Webseite und kann gegebenenfalls Konflikte, die durch das gleichzeitige Editieren der Inhalte entstehen, weitestgehend automatisiert auflösen. Die interaktiven Visualisierungen der Webseite sind als Java Applets realisiert. Dabei handelt es sich um Programme, die vom Server lediglich ausgeliefert werden und dann lokal auf dem Rechner des Benutzers (Client) ablaufen. Als alternative Techniken wären Adobe Flash und Microsoft Silverlight zu nennen. Bei der Wahl der Technik wurde besonders auf deren Verbreitung geachtet, damit möglichst wenige Benutzer ausgeschlossen werden.

In den letzten Jahren werden Internetbenutzer nicht mehr nur als passive Konsumenten wahrgenommen, sondern verstärkt als aktive Teilnehmer – als Autoren eigener Inhalte (Kerres, 2006). Geschäftsmodelle und Techniken, zur Unterstützung dieses Paradigmas werden unter dem Schlagwort Web 2.0 zusammengefasst. Die Webseite in ihrer jetzigen Form bietet dem Nutzer keine Möglichkeiten, Inhalte direkt zu beeinflussen. Denkbar wäre die Integration eines Forums, einer Kommentar- und Bewertungsmöglichkeit oder einer wiki-ähnlichen Editierfunktion. Solche Erweiterungen versprechen, die Nutzer untereinander zu vernetzen und neue Inhalte zu generieren, bergen aber auch die Gefahr unkontrollierter, schwankender Inhaltsqualität. Technisch lassen sich solche Funktionen mit einem Content-Management-System umsetzen; das System der Webseite neuronalesnetz.de kann dies nicht leisten.

Nicht zu vernachlässigen ist die Außenwirkung einer solchen Webseite. Im Idealfall weckt sie Interesse bei Schülern und Studenten am dargestellten Sachgebiet und macht auf das Fach, die Universität oder die Abteilung aufmerksam. Beispielsweise konnte durch die Webseite und die Lehrveranstaltungen bei Studierenden besonderes Interesse an der Datenauswertung mittels neuronaler Netze geweckt werden. Ein Student erstellt derzeit eine Statistiksoftware zur Auswertung mit Hilfe traditioneller Analyseverfahren und neuronaler Netze. Darüber hinaus können sich auch interdisziplinäre Kontakte in Forschung und Wirtschaft ergeben. In unserem konkreten Fall kam eine Kooperation mit dem Entwickler des Neuronale-Netze-Simulators MemBrain zustande.

Fazit und Ausblick

Die durchgeführten Evaluationen zur Webseite neuronalesnetz.de zeigen, dass ein solches Angebot als Begleitmaterial universitärer Lehrveranstaltungen von Studenten positiv aufgenommen wurde. Besonders hervorgehoben wurde dabei die Druckversion der Webseite. Die Möglichkeit, Studierende in die Bearbeitung der Inhalte einzubeziehen, bietet vermutlich Raum für Verbesserungen des Lernprozesses und die Erforschung kollaborativer Lernsituationen (vgl. Lin & Kelsey, 2009). In der Forschung konnte die Webseite erfolgreich in einem Feldexperiment eingesetzt werden. Die Auswertung der Nutzerdaten zeigt, dass weiterführende Links von Besuchern häufig verwendet werden, während andere Sonderfunktionen wie Suche, Literaturverzeichnis, Impressum und Index wenig Beachtung finden. Auch der Webseitenzugriff mit Hilfe von Mobilgeräten erfolgt derzeit noch relativ selten.

Damit hat diese Arbeit die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten einer E-Learning-Webseite im universitären Umfeld vorgestellt, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:

  • Bereitstellung von Begleitmaterial zu Lehrveranstaltungen

  • Durchführung empirischer E-Learning-Studien

  • Erprobung von Techniken an einem realen E-Learning-Angebot und deren Analyse mittels Nutzerdaten

  • Außendarstellung des Fachgebiets oder der Institution

In unserer zukünftigen Arbeit an und mit der Webseite neuronalesnetz.de möchten wir ermitteln, wie die Webseite um zweckmäßige Inhalte und Funktionalität im Rahmen des blended learning erweitert werden kann. Dabei wäre besonders interessant, ob sich auch Web 2.0 Techniken sinnvoll integrieren lassen. Des Weiteren erscheint eine detailliertere Überprüfung aktueller Ergebnisse der E-Learning-Forschung mit Hilfe der Nutzerdaten der Webseite vielversprechend.

Literatur

Bartholomé, T.; Stahl, E.; Pieschl, S.; Bromme, R.: What matters in help-seeking? A study of help effectiveness and learner-related factors. In: Computers in Human Behavior, Vol. 22, 2006, pp. 113-129.

Batinic, B.: Online-Research. In: Mangold, R.; Vorderer, P.; Bente, G. (Hrsg.): Lehrbuch der Medienpsychologie. Hogrefe, Göttingen, 2004, pp. 251-270.

Beller, S.: Empirisch forschen lernen: Konzepte, Methoden, Fallbeispiele, Tipps. (2. Aufl.). Huber, Bern, 2008.

de Jong, T.: Computer simulations - Technological advances in inquiry learning. In: Science, Vol. 312, 2006, pp. 532-533.

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Lawless, K. A.; Brown, S. W.: Multimedia learning environments: Issues of learner control and navigation. In: Instructional Science, Vol. 25, 1997, pp. 117-131.

Lin, H.; Kelsey, K. D.: Building a networked environment in Wikis: The evolving phases of collaborative learning in a Wikibook project. In: Journal of Educational Computing Research, Vol. 40, 2009, pp. 145-169.

Moreno, R.; Mayer, R.: Interactive multimodal learning environments: Special issue on interactive learning environments: Contemporary issues and trends. In: Educational Psychology Review, Vol. 19, 2007, pp. 309-326.

Noyes, J.; Garland, K.: Explaining students' attitudes toward books and computers. In: Computers in Human Behavior, Vol. 22, 2006, pp. 351-363.

Rey, G. D.: Gestaltungsempfehlungen für multimediale Lernumgebungen. Zur Gestaltung dynamischer, interaktiver Visualisierungen. VDM, Saarbrücken, 2006.

Rey, G. D.: E-Learning. Theorien, Gestaltungsempfehlungen und Forschung. Huber, Bern, 2009.

Rey, G. D.; Wender, K. F.: Neuronale Netze. Eine Einführung in die Grundlagen, Anwendungen und Datenauswertung. Huber, Bern, 2008.

Sarris, V.; Reiß, S.: Kurzer Leitfaden der Experimentalpsychologie. Pearson Studium, München, 2005.

Internetquellen:

[W001]: http://www.i4.psychologie.uni-wuerzburg.de/entwicklungspsychologie/mitarbeiter/mitarbeiter/dr_guenter_daniel_rey/lehrevaluationen/
Lehrevaluationen sämtlicher Vorlesungen und Seminare von Dr. Günter Daniel Rey (last check 2010-05-11).