Total Cost of Services (TCS) von Learning Management-Systemen
urn:nbn:de:0009-5-6783
Zusammenfassung
Mit dem zunehmenden Einsatz von E-Learning-Plattformen rücken verstärkt Wirtschaftlichkeitsaspekte in den Betrachtungsmittelpunkt, die Methoden zur Ermittlung systembedingter Kosten voraussetzen. Durch die zunehmende Serviceorientierung und Integration von LMS mit bestehenden Komponenten der Anwendungsarchitektur sind hierfür jedoch neue Methoden notwendig, welche die Defizite traditioneller Total Cost of Ownership-Modelle abbauen. Einen Ansatzpunkt hierfür bietet das ITIL-Referenzmodell, das einen Rahmen für taktische und operative IT-Services vorgibt und somit die Grundlage für eine serviceorientierte Gesamtkostenermittlung in Form der Total Cost of Services (TCS) liefert.
Stichwörter: Total Cost of Services (TCS), Learning-Management Systems (LMS) serviceorientierte Gesamtkosten, IT Infrastructure Library, ITIL
Abstract
The broad adoption of e-learning platforms calls for a closer look at the economic efficiency and the total cost of ownership (TCO) of these technical tools. In the face of service-oriented architectures (SOA) and the increasing integration of learning management systems with other information systems, new methods for the calculation of system related costs are necessary. We propose to focus on the total costs of services (TCS) of e-learning platforms, which underline the relevance of e-learning services as primary calculation objects. Basically, service-oriented cost analysis for e-learning-platforms can be realized following the IT infrastructure library (ITIL). ITIL provides a generic framework for tactical and operational IT services, which can be adopted for the domain of e-learning. We show that this approach can be realized using tco-tool ( http://www.tcotool.org ), a publicly available open source product.
Keywords: Total Cost of Services (TCS), Learning-Management Systems (LMS), IT Infrastructure Library, ITIL
Zur administrativen Unterstützung von Lehr- und Lernprozessen werden Learning Management-Systeme (LMS) eingesetzt, die Funktionen zur Verwaltung, Distribution, Kommunikation und Organisation von Lerninhalten und -prozessen zur Verfügung stellen. Wie das Produktportfolio des Open Source-Mediatoren CampusSource zeigt, [1] stehen zahlreiche quelloffene Lösungen zur Verfügung, die in privaten und öffentlichen Bildungsinstitutionen hohe Akzeptanz verzeichnen und eine Basistechnologie des E-Learnings bilden. Eine praktische Herausforderung bildet insbesondere die diensteorientierte Integration bestehender Softwarelösungen mit den meist historisch gewachsenen Anwendungslandschaften der Hochschulen. Diese Anforderungen können auf der informationstechnologischen Ebene durch die Nutzung serviceorientierter Systemarchitekturen und Technologien abgebaut werden, erfordern indes dienstorientierte Management- und Controllinginstrumente. Folglich sind zur Wirtschaftlichkeitsbeurteilung von LMS Methoden notwendig, die eine Bewertung der bereitgestellten bzw. produktiv genutzten E-Learning-Services gestatten.
Einen Ansatzpunkt hierfür liefert die IT Infrastructure Library (ITIL), die als de facto-Standard für das Management von IT-Dienstleistungen hohe praktische Bedeutung erlangt hat [HZB04](1). Als Best-Practice-Referenzmodell weist ITIL mittlerweile den Charakter eines Branchenstandards für interne und externe IT-Dienstleister auf, der durch das international tätige IT-Service-Management-Forum weiterentwickelt wird. Der Kern der ITIL wird durch die beiden Bereiche des Service Delivery und Service Supports gebildet [Kö05](2). Diese Bereiche haben Aktivitäten zur Planung, Kontrolle und Steuerung von IT-Leistungen auf der taktischen und operativen Ebene zum Gegenstand und bilden den umfangreichsten Teil der ITIL (vgl. Abb. 1).
Dieser Aktivitätskatalog stellt eine generische Struktur zur Verfügung, die zur Ermittlung der Total Cost of Services (TCS) von E-Learning-Plattformen herangezogen werden kann. Auf diese Weise nehmen einzelne Serviceaktivitäten wie z. B. das Incident Management zur Supportbearbeitung die Rolle von Bezugsobjekten für die Kostenplanung und -kontrolle ein, und führen damit zu einer dienstorientierten Bewertung des personellen und sachlichen Ressourceneinsatzes.
Zur Ermittlung der serviceorientierten Gesamtkosten können frei verfügbare Werkzeuge eingesetzt werden, wie z. B. das Open Source-Softwareprodukt TCO-Tool. Dieses Softwareprodukt wurde im Auftrag des schweizerischen Informatikstrategieorgans Bund (ISB) entwickelt und steht als Java-basierte Applikation nach den Lizenzbestimmungen der LGPL über die Internetadresse http://www.tcotool.org zur Verfügung. Aufgrund seiner flexiblen Konfigurationsmöglichkeiten kann dieses Werkzeug auch zur Konstruktion von TCS-Modellen eingesetzt werden. Abb. 2 zeigt eine mehrperiodige TCS-Kalkulation, die mit diesem Werkzeug erstellt wurde.
Für das Management von E-Learning-Plattformen erschließt eine serviceorientierte Kostenbewertung die folgenden Anwendungspotenziale:
- Die Kostenwirkungen von Änderungen der Dienstgüte (Service Levels) durch Integration neuer Hardwarekomponenten oder Bereitstellung zusätzlicher personeller Ressourcen zur Unterstützung von Endanwendern können auf Serviceebene ad hoc ermittelt werden. Diese Anwendung kann insbesondere dann zur Entscheidungsunterstützung beitragen, wenn E-Learning-Plattformen angesichts hoher Lasten stetig skaliert werden müssen.
- Mithilfe des dargestellten Instrumentariums ist es möglich, unterschiedliche Plattform- und Serviceszenarien für das E-Learning in Bezug auf ihre Gesamtkosten zu untersuchen. Auf diese Weise wird auch ein Alternativenvergleich möglich, der zur kostenorientierten Fundierung von Konsolidierungs- oder Migrationsentscheidungen –etwa beim Wechsel von einer proprietären auf eine Open Source-Plattform - beitragen kann.
- Die servicebezogenen Gesamtkosten können weiterhin als Grundlage für eine Preisstellung spezifischer E-Learning-Services genutzt werden. Diese Anwendungsmöglichkeit adressiert vor allem den steigenden Bedarf privatwirtschaftlicher Bildungsanbieter zur Refinanzierung des angebotenen Leistungsportfolios.
- Eine serviceorientierte Kalkulation erleichtert die Identifikation von Rationalisierungspotenzialen, die durch Auslagerung (Outsourcing) oder Reintegration (Insourcing) von E-Learning-Diensten realisiert werden können.
Aus langfristiger Perspektive ist durch diese Serviceorientierung bei der Kostenermittlung eine verbesserte Ausrichtung von LMS und komplementärer E-Learning-Dienste an den Bedürfnissen der Endanwender zu erwarten. Dabei ist allerdings zu beachten, dass hiermit eine singuläre Fokussierung der systembedingten Kosten einhergeht. Die Vernachlässigung von Nutzenkomponenten bei der Entscheidungsfindung beinhaltet dabei die Gefahr, dass Effizienzpotenziale nicht umfassend wahrgenommen werden. Aus konzeptioneller Perspektive erschließt sich somit die Fragestellung, wie TCS-Modelle in ein umfassendes Controlling von E-Learning-Plattformen bzw. generell in das Qualitätsmanagement von Bildungsmaßnahmen zu integrieren sind.
(1) [HZB04] Hochstein, A.; Zarnekow, R.; Brenner, W.: ITIL als Common-Practice-Referenzmodell für das IT-Service-Management - Formale Beurteilung und Implikationen für die Praxis, in: Wirtschaftsinformatik, 46. Jg., 2004, H. 5, S. 382-389.
(2) [Kö05] Köhler, P. T.: ITIL – Das IT-Servicemanagement Framework, Springer, Berlin, Heidelberg 2005.
[1] Das Produktportfolio steht im Internet unter der URL http://www.campussource.de/software zur Verfügung.